[571] Diplom, ein dem Griechischen entlehnter Ausdruck, der eigentlich ein zusammengelegtes Schreiben bedeutet, und da Urkunden meist diese Form haben, in dieser Bedeutung namentlich für Staatsurkunden seit dem 17. Jahrh. allgemein üblich geworden ist, wo auch die Urkundenlehre oder Diplomatik, d.h. die Wissenschaft, welche geschichtliche Urkunden verstehen, benutzen und die Echtheit derselben beurtheilen lehrt, sich zuerst ausbildete. Dazu erfoderlich sind: vertraute Bekanntschaft mit den zu verschiedenen Zeiten üblichen Schriftarten, Abkürzungen und Schreibmaterial, mit den Namenszügen, Siegeln, Unterschriften hochgestellter Personen, mit der im Laufe der Jahrhunderte wechselnden Ausdrucksweise, den Titeln, den Anfangs- und Schlußformeln und vielen andern Dingen, welche die innern und äußern Kennzeichen der Echtheit der Urkunden ausmachen. Jetzt wird übrigens unter der allgemeinen Benennung Diplom jede von Staatsbehörden mit Unterschrift und Siegel beglaubigte Ausfertigung verstanden, durch welche Jemand Ehren und Würden, daher Adelsdiplome, Doctordiplome u.s.w., oder Vorrechte, Begnadigungen, Bewilligungen zu irgend Etwas, z.B. zu Stiftungen, ertheilt werden. Alles, was sich auf die sorgfältige Ausfertigung solcher Diplome bezieht, heißt diplomatisch, welcher Ausdruck aber jetzt auch von dem zwischen Staatsregierungen stattfindenden schriftlichen und von dem mündlichen Verkehre [571] ihrer Abgeordneten und Gesandten und selbst auf die dazu bevollmächtigten Beamten angewandt wird, welche darum diplomatische Personen, sowie sämmtliche an einem Hofe beglaubigte auswärtige Gesandte nach franz. Beispiele »diplomatisches Corps« genannt werden. Ebenso umfaßt die Diplomatie, welche mit der obenerwähnten Diplomatik nicht verwechselt werden darf, Alles, was sich auf die zwischen Staatsregierungen vorkommenden schriftlichen und mündlichen Verhandlungen bezieht, also auch die Kenntnisse und Fähigkeiten jeder Art, welche die mit diplomatischen Geschäften beauftragten Personen besitzen müssen. Dies sind zunächst die Beamten der Ministerien der auswärtigen Angelegenheiten und die bei Gesandtschaften Angestellten, welche zu nützlicher Erfüllung ihrer Pflichten nicht nur mit allen innern und äußern Verhältnissen ihres Staats, sondern auch ebenso mit dem aller anderer Staaten, mit den allgemeinen politischen Umständen, mit der Geschichte, dem Staats-und Völkerrechte, mit der Etikette und allen an den Höfen üblichen Formen und mehren andern Dingen vertraut, ja als Gesandte selbst ein persönlich angenehmes, den Sitten der Höfe ganz entsprechendes Betragen besitzen müssen. Diese äußere Abgeschliffenheit wird oft bei der Wahl von Gesandten vorzüglich beachtet, seit im 17. Jahrh. die franz. Sprache beim diplomatischen Verkehr die herrschende geworden ist, während es früher die lat. war, und darum hauptsächlich Gelehrte mit den Verhandlungen der Staaten beauftragt wurden. Für Das, was einem Gesandten an gelehrten diplomatischen Kenntnissen abgehen sollte, müssen dann die ihm beigegebenen Gesandtschaftssecretaire oder die Beamten stehen, welche in Fällen, wo besondere Kenntnisse nöthig sind, ihm außerordentlich zur Beihülfe gegeben werden.