Ferdinand [2]

[26] Ferdinand VII., König von Spanien, Sohn Karl IV., geb. 1784, gest. am 29. Sept. 1833, hat durch seine Charakterlosigkeit einen großen Theil aller der Unglücksfälle, die seit 30 Jahren Spanien heimgesucht haben, herbeigeführt. Das span. Volk, welches die unumschränkte Herrschaft, welche Godoy (s. Friedensfürst), der Günstling Karl IV. ausübte, haßte, hing mit der größten Liebe an F., von dem es eine bessere Zukunft erwartete. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, 1806, schloß sich F. an eine neue Partei an, welche den Sturz Godoy's zum Zwecke hatte. Die Pläne dieser Partei wurden aber entdeckt und F. verhaftet; da indeß das Volk ganz auf F.'s Seite stand, so bewirkte Godoy selbst die Aussöhnung mit F. Als 1808 die Revolution von Aranjuez ausbrach und Karl IV. der Krone entsagte, wurde F. vom span. Volke als König begrüßt. Karl aber erklärte seine Abdankung für erzwungen und foderte Napoleon zum Vermittler auf, an welchen sich auch F. mit der Bitte um Anerkennung und um die Hand einer franz. Prinzessin wendete. Napoleon beschied ihn nach Bayonne, wo die Ausgleichung mit seinem Vater geschehen sollte. Hier aber wurde F., der auf den Ruf Napoleon's erschienen war, genöthigt, am 6. Mai 1808 förmlich der Krone zu entsagen und mußte sich nach dem Schlosse Valençay begeben, wo er streng bewacht wurde. Hier blieb er, bis ihn Napoleon, welcher vergebens die Unterjochung Spaniens versucht hatte, wieder zum Könige von Spanien einsetzte. Am 14. Mai 1814 zog F. in Madrid ein und begann sogleich damit, die von den Cortes 1812 gegebene Constitution, welche auf sehr liberalen Grundsätzen beruhte, umzustoßen. Alle veralteten Misbräuche wurden wieder eingeführt und alle freisinnigen Männer auf das Härteste verfolgt. Zwar wurde durch eine im J. 1820 ausgebrochene Revolution die Constitution der Cortes von 1812 wiederhergestellt, aber schon 1823 ward durch ein franz. Heer die Macht F.'s aufs Neue befestigt. Noch größer wurden die Verwirrungen seit 1829, wo sich F. zum vierten Male vermählte mit Christine (s.d.), der Tochter Franz I., Königs beider Sicilien. Diese bewog ihren Gemahl, das salische Gesetz, nach welchem die Thronfolge nur in männlicher Linie fortgeht, am 29. März 1830 aufzuheben, sodaß für die Folge auch die Töchter zur Regierung kommen sollten. Am 10. Oct. 1831 gebar Christine eine Tochter, welche den Namen Isabella erhielt und vom König zur Prinzessin von Asturien ernannt wurde. Durch die Aufhebung des salischen Gesetzes wurde Don Carlos (s.d.), der Bruder F.'s, von der Thronfolge ausgeschlossen, und dieser, welcher sich später nach Portugal begab, protestirte daher gegen das Verfahren F.'s. An Don Carlos schloß sich die streng katholische Partei an, und als 1832 der König erkrankte, erklärten die Anhänger dieser Partei offen, daß sie Isabella nicht als Königin anerkennen würden. F. selbst hatte bereits Schritte zur Aufhebung jenes Beschlusses gethan, aber [26] während seiner Krankheit übernahm die Königin Christine die Leitung der Staatsgeschäfte und machte sich durch mehre freisinnige Verordnungen beliebt. Nachdem im Anfange des Jahres 1833 F. selbst die Regierung wieder übernommen, ließ er am 20. Jun. 1833 die Deputirten, die Cortes und die Großen des Reichs der Prinzessin von Asturien huldigen. Nach seinem bald darauf erfolgten Tode übernahm Christine im Namen der unmündigen Isabella II. die Regentschaft; da aber auch Don Carlos mit bewaffneter Hand seine Ansprüche geltend zu machen suchte, so entspann sich jener Kampf, der mit allen Greueln eines Bürgerkriegs bis diesen Augenblick Spanien verwüstet.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 26-27.
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