Folter

Folter

[68] Folter, in der juristischen Sprache gleichbedeutend mit Tortur, Marter, peinlicher Frage, ist ein früher häufig angewendetes Mittel, von Demjenigen, welcher sich eines Hauptverbrechens dringend verdächtig gemacht hat, das verweigerte Geständniß durch Erregung körperlicher Schmerzen zu erpressen.

Obwol die deutsche Reichsgesetzgebung, besonders die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl V. im 16. Jahrh., die Anwendung der Folter gesetzlich anerkannte, so blieben doch die verschiedenen Arten derselben, deren Werkzeuge und Grade ebenso unbestimmt als die Dauer derselben. Die Praxis beschränkte jedoch diese auf höchstens eine Stunde und unterschied je nach der Größe der Qualen und der Beschaffenheit der stufenweise anzuwendenden Marterwerkzeuge drei Grade der Folter. Zuerst wendete man gewöhnlich die Daumstöcke oder Daumschrauben an, sodann, wenn der Angeschuldigte hierdurch zu keinem bestimmten und ausreichenden Geständniß gebracht werden konnte, die sogenannten Schnüren und endlich, wenn er noch immer leugnete, als dritten und letzten Grad die Leiter nebst span. Stiefeln; doch wurden diese Grade auch noch durch andere Martern und besonders der dritte nicht selten durch Anwendung von Feuer gesteigert. Die Daumstöcke bestanden in einem Instrumente, welches die Daumen des Verbrechers zwischen zwei eingekerbten Metallplatten festhielt und dadurch, daß diese vermittelst einer Schraube zusammengepreßt wurden, die heftigsten Schmerzen verursachte. Bei den Schnüren wurde der Delinquent an Händen und Füßen geknebelt und[68] ihm ein dünnes Hanf- oder Haarseil mehrmals um die Arme geschlungen. Dieses Seil wurde nun von zwei Folterknechten hin- und hergezogen. Beim dritten Grade endlich band man den zu Peinigenden an eine Leiter. Hierauf wurden die hinterwärts zusammengezogenen Hände desselben mit Hülfe eines Klobens verkehrt über den Kopf hinausgezogen, oft auch noch schwere steinerne Gewichte an die Füße gehängt und dieselben so lange vermehrt, als es die Stärke der Muskeln und Sehnen des Unglücklichen erlaubte. Dabei brachte man gewöhnlich noch die sogenannten span. Stiefeln in Anwendung, d.h. eiserne Schienen, die an den Waden angelegt und durch Schrauben über den Schienbeinen zusammengepreßt wurden. Unter dem Rücken des Gemarterten lag eine Rolle mit Stacheln, der gespickte Hase genannt. Auch wurde wol der Leidende mit einem Bündel Kerzen unter der Brust gebrannt, wobei die Kerzen so gehalten wurden, daß sie eine spitze Flamme bildeten. Den Folterknechten war es zur Pflicht gemacht, die einzelnen Martern zur Vermehrung des Schmerzes langsam und nach und nach in Anwendung zu bringen, auch von Zeit zu Zeit dem Gepeinigten wieder Luft zu lassen und dann mit neuer Kraft anzuziehen, auf die Schrauben zu klopfen u.s.w.

Wenn der Angeschuldigte die Folter, ohne zu bekennen, überstanden hatte, so wurde er ohne Weiteres freigesprochen, wogegen aber auch ein durch die Folter erpreßtes Geständniß zur Verurtheilung hinreichte, wenn es zwei oder mehre Tage nach erlittener Folter von dem Verbrecher außerhalb der Folterkammer vor Gericht als wahr bestätigt wurde und überhaupt das Gepräge der Wahrscheinlichkeit an sich trug. Gestand aber der Angeschuldigte Thatsachen, die erwiesen falsch waren, oder widerrief er später sein bei der Folter abgelegtes Geständniß, so konnte die Folter erneuert und gesteigert werden. – Wie ungerecht, unzulänglich und widersinnig dieses barbarische Mittel zu Erforschung der Wahrheit ist, ergibt sich schon daraus, daß die Folter, obwol sie nicht als Strafe betrachtet wurde, doch die grausamste aller Strafen war, folglich der Unglückliche, der nach derselben freigesprochen wurde, schuldlos, und der, welcher in Folge derselben verurtheilt wurde, wegen ein und desselben Verbrechens doppelt gestraft wurde. Nicht das Bewußtsein der Schuldlosigkeit, nicht die Hartnäckigkeit eines verstockten Gemüths, nur eine ungewöhnliche Geistes- und Nervenstärke vermochte es, die Qualen der Folter zu überstehen. Schuldige und Unschuldige bekannten daher auf der Folterbank Alles, was man von ihnen verlangte, und beschuldigten sich oft Verbrechen, die sie gar nicht begangen. Freudig boten sie dem Richtschwerte ihren Nacken dar, um dem zehnfachen Tode der Folter zu entgehen. Vernunft und Menschlichkeit haben sie daher auch schon größtentheils im Laufe des vorigen Jahrh. aus dem Gerichtsverfahren verbannt.

Nachstehende Abbildung stellt einige der Marterwerkzeuge dar, welche die Engländer auf den eroberten Schiffen der span. sogenannten unüberwindlichen Flotte (s. Arm ad al fanden). Die Spanier hatten nämlich in ihrem Siegestaumel den Engländern schon im Voraus die ausgesuchtesten Martern zugedacht und sich deshalb mit Folterwerkzeugen aller Art reichlich versehen. Abbild. A stellt einen Daumstock von der oben beschriebenen Art vor, Abbild. B ein eisernes, inwendig mit scharfen Spitzen versehenes Halsband von beträchtlicher Schwere, Abbild. C ein unter dem Namen »Des Abdeckers Tochter« bekanntes Marterinstrument. Durch die oberste Öffnung desselben steckte man den Kopf, durch die beiden mittlern die Arme und durch die untere die Füße des zu Marternden, worauf die ganze Maschine durch Stricke zusammengezogen und so der Körper in die schmerzhafteste Lage gebracht und darin erhalten wurde.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 68-69.
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