Harmonica

[338] Harmonica ist ein verschiedenen musikalischen Instrumenten mit eigenthümlichem ergreifenden Klange ertheilter Name. Vorzugsweise heißt so die von Benj. Franklin erfundene oder wol nur verbesserte Glasharmonica. Dieselbe besteht aus einer Anzahl von Glasglocken von verschiedener Größe und verschiedenem Tone, welche in der Mitte durchbohrt und mit einer Korkfütterung versehen sind, durch welche sie auf eine eiserne Stange geschoben und befestigt werden. Hier sind sie nach ihrer Größe geordnet, sodaß jede kleinere unter der nächst größern mit dem Rande vorragt. Der Stab mit den Glocken liegt in einem Kasten, welcher oben offen ist und mit einer Scheibe in Verbindung steht, durch welche der Stab sammt den Glocken in drehende Bewegung gesetzt wird. Die Scheibe wird mittels eines Fußtritts nach Art eines Spinnrades umgedreht. Vor dem Spiel werden die Glocken mit einem feuchten Schwamm benetzt, und das Spiel geschieht, indem der Spieler die trockenen Fingerspitzen an die in Umschwung gesetzten Glocken anlegt. Durch die größere oder geringere Schnelligkeit der Umdrehung der Glocken und durch das mehr oder weniger starke Anpressen der Finger wird der Ton modificirt. Der Klang dieses Instruments ist ungemein eindringend und gewissermaßen schneidend, ergreift die Nerven der Hörer sowol wie des Spielers. Namentlich sollen auch durch das Anlegen der Fingerspitzen die Nerven angegriffen werden und man hat daher mehrfache Versuche gemacht, Tasten statt der Finger zur Erzeugung des Tons anzubringen, wodurch indeß der ungemeinen Zartheit des Instruments, welche auf der Weise der Berührung beruht, Eintrag gethan wird. Die Harmonica eignet sich nur zum Vortrag langsam einherschreitender und sanfte Empfindungen ausdrückender Musik. Eine nur als Spielerei dienende Glasharmonica hat man aus Glasstreifen von verschiedener Länge hergestellt, welche über einem Resonanzboden elastisch befestigt sind und mit Hämmerchen angeschlagen werden. Eine andere Spielerei ist die jetzt sehr Mode gewordene Mundharmonica, in der mehre aus dünnen Metallstäbchen bestehende Zungen angebracht sind, welche durch Durchblasen oder Durchziehen der Luft in schwingende und mithin tönende Bewegung gesetzt werden. Statt das Instrument mit dem Munde zu blasen, hat man auch Blasebälge angebracht, welche die Metallzungen blasen und Tasten dienen, der Luft den Zutritt zu den Zungen zu öffnen. Auch hat man die verbesserte Maultrommel (gewöhnlich Brummeisen genannt) Mundharmonica genannt. Von mehr theoretischem Interesse (zur Erklärung der Bildung des Tons) als praktischem ist die Nagelharmonica. Auf einem halbrunden Resonanzboden stehen rings herum Stahlstäbchen von verschiedener Länge, welche mit einem Violinbogen, der mit Pferdehaaren bezogen und stark mit Colophonium gerieben ist, gestrichen werden. Eine Verbesserung dieses Instruments ist die Stahlharmonica. – Die sogenannte chemische Harmonica ist kein musikalisches Instrument, sondern nur ein eigenthümliches Klingen oder Tönen, welches man auf verschiedene Weise erzeugen kann. Läßt man nämlich Wasserstoffgas aus einer engen Röhre strömen, zündet dasselbe vor der Mündung dieser Röhre an und senkt die Flamme in ein gläsernes Gefäß, in eine weite Glasröhre oder in den Hals einer Retorte, so entsteht ein eigenthümliches schütterungen ist, die das Glas in regelmäßiger und schneller Folge durch das verbrennende Gas erhält, denn das Brennen des Gases besteht in schnell aufeinander folgenden [338] kleinen Explosionen. An eine willkürliche Modification des Tons in Bezug auf Steigen und Fallen, Schwächung und Verstärkung ist nicht zu denken. – Verschiedene Instrumente, welche einen der Harmonica ähnlichen Ton erzeugen, von denen aber keins einen ausgedehntern Gebrauch gefunden hat, sind nach der Harmonica benannt worden, so das Harmonikon, das Harmonicello und das Harmonichord.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 338-339.
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