Hutten

[431] Hutten (Ulrich von), einer der am freimüthigsten, muthvollsten und am wirksamsten im 16. Jahrh. gegen die Misbräuche der katholischen Kirche auftretenden Schriftsteller, stammte aus einem alten Geschlecht, wurde 1488 zu Steckelberg bei Fulda auf dem Stammschlosse seiner Familie geboren und nachher in das Stift zu Fulda gebracht, wo er wissenschaftliche Bildung erhielt, aber 1504 entfloh, um nicht Mönch werden zu müssen. In Erfurt wurde er von der Syphilis angesteckt, welche damals als eine Seuche Europa verwüstete und nicht blos, wie gegenwärtig, durch Unkeuschheit sich fortpflanzte. Er litt an dieser Krankheit, die immer von Neuem ausbrach, bis an seinen Tod. Er hielt sich nun nacheinander in Köln, Frankfurt a. d. O., Greifswald, Rostock und Wittenberg auf, immer emsig an seiner weitern Bildung arbeitend und durch seine Talente, besonders für Poesie, willkommene Aufnahme findend. Endlich begab er sich nach Pavia, um dadurch, daß er sich dem Studium der Rechtswissenschaft widmete, die Gunst seines Vaters wieder zu erwerben. Bei der Eroberung Pavias wurde H. völlig ausgeplündert und mußte nach einem kurzen Aufenthalte in Bologna 1513 Kriegsdienste im kaiserl. Heere nehmen. Schon im nächsten Jahre verließ er den Kriegerstand wieder und machte nun zuerst allgemeines Aufsehen durch sein freimüthiges Auftreten gegen den Herzog Ulrich von Würtemberg, welcher einen Vetter von H. ermordet hatte, und dadurch, daß er sich öffentlich des vielfach verfolgten Reuchlin (s.d.) annahm. Nach einem zweiten Aufenthalt in Italien kehrte H. nach Deutschland zurück und wurde zu Augsburg von der schönen Constantia, der Tochter des durch seine Verdienste um die Wissenschaften und um seine Vaterstadt Augsburg berühmten Peutinger, als Dichter mit dem Lorber gekrönt und vom Kaiser Maximilian zum Ritter geschlagen. H. hatte das Mönchsleben in Italien in seiner tiefsten Entsittlichung kennen gelernt und trat von nun an in muthigen und scharfen Schriften gegen dasselbe, sowie gegen die übrigen Misbräuche der katholischen Kirche auf. Seit 1518 stand er bei dem Erzbischof von Mainz in Diensten, der ihn zu mehren Sendungen benutzte, und im folgenden Jahre bekriegte er im Verein mit dem schwäb. Bunde den Herzog Ulrich von Würtemberg und wurde der Freund des Franz von Sickingen. Hierauf lebte er einige Zeit auf seinem Stammschlosse und erließ heftige Schriften, durch welche er die Gunst des Erzbischofs von Mainz einbüßte, aber sich dem von Luther begonnenen Reformationswerke näher anschloß. Von Rom aus, sogar durch gedungene Mörder, verfolgt, fand H. bei Franz von Sickingen eine Zufluchtsstätte, bis Sickingen in der Fehde mit dem Erzbischof von Trier besiegt wurde. Unstät irrte nun H. umher, in der Schweiz vergebens eine. Zufluchtsstätte suchend, und erlag endlich 1523, erst 36 Jahre alt, auf der Insel Ufnau im Zürchersee, seiner wieder ausgebrochenen Krankheit. H. hat durch seine Schriften wesentlich zur Förderung der Reformation beigetragen. Er trat mit edler Unerschrockenheit allen Mängeln und Schlechtigkeiten seiner Zeit entgegen und hegte gegen den ihm durch seine Kühnheit und redliche Gesinnung nahe verwandten Luther eine große Achtung, obgleich er ihn nicht persönlich kennen lernte. Eine Sammlung seiner Schriften ist in fünf Bänden (Berl. 1821–25) erschienen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 431.
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