[434] Hypochondrie, Milzsucht, Milzkrankheit wird ein langwieriges, vorzugsweise Männer von mittlerm Alter und melancholischem oder cholerischem Temperament heimsuchendes Übel genannt, welches am häufigsten von den Werkzeugen der Verdauung und des Blutumlaufs im Unterleibe ausgeht, bald jedoch auch Geist und Gemüth in seinen Bereich zieht, dadurch den eigentlichen Seelenstörungen sehr nahe verwandt wird, die meiste Ähnlichkeit aber mit der dem weiblichen Geschlecht eignen Hysterie (s.d.) hat. Sie verräth sich zuerst durch eine traurige, ärgerliche Gemüthsstimmung, Liebe zur Einsamkeit, Trägheit, Störungen der Verdauung, mangelnde oder übermäßige Eßlust, Sodbrennen, Gefühl von Schwere und Spannung im Unterleibe, Hartleibigkeit. Weiterhin macht die eben beschriebene Gemüthsstimmung einer eigenthümlichen Selbstsucht Platz, die sich dadurch zu erkennen gibt, daß der Kranke an den Angelegenheiten Anderer, überhaupt an Dem, was um ihn vorgeht, gar keinen Antheil nimmt, sondern sich immer und ausschließlich mit seinem Gesundheitszustande beschäftigt, fortwährend über denselben nachgrübelt und sich Ansichten von ihm bildet, gegen die er keinen Widerspruch verträgt. Insbesondere klagt er über herumziehende Schmerzen in fast allen Theilen des Körpers, namentlich über halbseitigen Kopfschmerz, allerhand Sinnestäuschungen, Ohrensausen, Schwindel und Verdauungsbeschwerden. Dennoch sieht er eben nicht abgefallen und elend aus, sondern unterscheidet sich im Äußern von einem Gesunden nur durch eine ungewöhnlich dunkele, erdfahle Gesichtsfarbe und einen eigenthümlich furchtsamen und scheuen Blick. Die Hypochondrie kann Jahre lang ohne Gefahr andauern und nimmt nur ausnahmsweise durch Übergang in Melancholie, Wassersucht u.s.w. einen tödtlichen Ausgang, vergiftet aber im eigentlichen Sinne jeden Genuß, den das Leben bietet. Sie beruht zuweilen auf einer ererbten Anlage und steht dann gewöhnlich mit Hämorrhoidalleiden in Verbindung, wird aber auch durch Alles herbeigeführt, was die Unterleibseingeweide zu schwächen im Stande ist, durch eine sitzende, mit Geistesanstrengung und Nachtwachen verbundene Lebensweise, niederdrückende Gemüthsbewegungen, frühzeitige Geschlechtsausschweifungen, Misbrauch von Klystieren und Abführungsmitteln, eine reizlose, schwer verdauliche Kost, namentlich öftern Genuß mehliger, fetter [434] Speisen, langen Aufenthalt in einer ungesunden Wohnung u.s.w. Eben deshalb ist aber auch grade bei dieser Krankheit die zweckgemäße Umänderung der ganzen Lebensweise fast noch wichtiger und einflußreicher als die Anwendung von Arzneien; denn die tägliche Erfahrung lehrt, daß eine den Kräften und Wünschen des Kranken angemessene nützliche Beschäftigung, freundlicher Zuspruch, vorsichtiges Ablenken desselben von dem Gegenstande seiner beständigen Besorgnisse, Reisen, Veränderung des Wohnorts, hinreichende körperliche Bewegung und strenge Diät oft mehr zur baldigen und dauerhaften Herstellung des Kranken vermögen, als die Hülfsmittel, welche die Apotheke darbietet.