[665] Reisen heißt überhaupt das Zurücklegen einer weitern Entfernung zu Lande oder zu Wasser, und geschieht dies letztere auf dem Meere, so heißt es dann Seereise. Außerdem spricht man je nach der Art des Fortkommens und den besondern Zwecken der Reisen von Vergnugungs- oder Luftreifen, von Fußreisen, Badereisen, Bildungs-, Kunst- und Geschäftsreisen, von wissenschaftlichen Reisen für einzelne Zwecke oder von den umfänglichsten derselben, von Entdeckungsreisen, welche nach wenig oder gar nicht gekannten Erdgegenden zur Erweiterung unserer Kenntnisse vom Erdballe und damit zusammenhängender Verhältnisse unternommen werden. Auch bei Vergnügungsreisen wird es wie bei Bildungsreisen sich stets belohnen, wenn man sich über die Gegend, das Land, die Stadt, wohin die Reise geht, so viel wie möglich unterrichtet, wobei sich denn auch herausstellen wird, welches die beste Zeit zur Reise ist. Eine Menge von Reisehandbüchern für einzelne Gegenden wie von umfassenderm Inhalt erleichtern das gegenwärtig und als ein allgemeiner Rathgeber für deutsche Reiselustige ist besonders der »Passagier auf Reisen« (9. Aufl., Berl. 1837) von dem zu Gotha 1828 verstorbenen, vielseitig thätigen Schriftsteller und ehemaligen herzogl. Theaterdirector Heinr. Aug. Ottokar Reichard zu empfehlen, wo auch von den anziehendern Gegenden und Orten die darüber vorhandenen besten Karten und Schriften angegeben sind. Für Fußreisende vorzugsweise geben geeignete Anweisungen Zober's »Deutscher Wanderer« (2. Aufl., Berl. 1826), und Fecht, »Der Fußwanderer« (Heidelb. 1824). Gegen früher ist jetzt in dem größern Theile von Europa durch gebahnte Wege, Eilposten, Diligencen, die Packetboot-und Dampfschiffahrt auf dem Rheine, der Donau, der Elbe, im baltischen, deutschen und mittelländ. Meere, das regelmäßige, schnelle und sichere Fortkommen der Reisenden außerordentlich erleichtert und die begonnene Einführung von Eisenbahnen wird endlich alle Wünsche in dieser Beziehung erfüllen. Dasselbe[665] gilt von einem Theile der Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit denen jetzt ebenfalls eine Verbindung durch engl. Dampfschiffe besteht.
Nur im Ganzen angedeutet kann hier der unberechenbare und für die Entwickelung der allgemeinen Bildung unentbehrliche Einfluß sein, den insbesondere die Entdeckungsreisen durch Erweiterung der Erd- und Völkerkunde, der Kenntniß von Natur-und Kunstproducten und zahlloser anderer Umstände sowol auf die Verhältnisse in Europa, seit dieser Erdtheil an der Spitze der Civilisation steht, als auch für Verbreitung derselben nach allen Richtungen gehabt haben. Nähere Angaben darüber enthält die Geschichte der einzelnen Völker, der Wissenschaften, Künste und Gewerbe und des Handels, der die Phönizier schon 1500 Jahre v. Chr. antrieb, von Vorderasien aus die Küsten des mittelländ. Meeres in zunehmender Ausdehnung zu beschissen. Endlich überschritten sie die sogenannten Säulen des Hercules oder die Meerenge von Gibraltar und gelangten nach Britannien und bis in die Ostsee, sowie südl. bis Oberguinea an der Westküste von Afrika, wo auch im 5. Jahrh. v. Chr. die Karthager durch Hanno Colonien anzulegen versuchten. Über die Meerenge von Suez zum rothen Meere vorgedrungen, besuchten phöniz. Seefahrer auch die Ostküste von Afrika, das auf des ägypt. Königs Neko Veranstaltung schon 600 v. Chr. von ihnen umschifft worden sein soll. Später sandte der pers. König Xerxes den Sataspes zu gleichem Zwecke ab, der aber nur bis zu den canarischen Inseln gelangte. Handelsverbindungen durch Karavanen bestanden mit dem Innern Afrikas über Ägypten, mit Arabien und durch den größern Theil von Asien. Durch die Griechen war schon im 13. Jahrh. v. Chr. (s. Argonauten) das schwarze Meer bekannt geworden, ihre Theilnahme an Erforschung der westl. über das adriatische Meer hinaus liegenden Küsten des Mittelmeeres scheint aber noch lange Zeit sehr beschränkt gewesen zu sein. Aus dem 5. Jahrh. v. Chr. ist Herodot (s.d.) durch seine Reisen nach fast allen mit Griechenland damals in Verbindung stehenden Ländern berühmt; Skylax aus Karyanda in Vorderasien schrieb um 404 v. Chr. eine Seereise im Mittelmeere, und von Massilien (jetzt Marseille) aus ward Euthymenes abgesandt, um dem Karthager Hanno nachzueifern, und Pytheas bereiste mit massilischen Kaufleuten die nördl. europ. Meere um dieselbe Zeit, wo Alexander's des Großen Eroberungszüge vielen Griechen Veranlassung und Gelegenheit gaben, Asien bis nach Indien, sowie Libyen näher kennen zu lernen. Etwas später gelangten pers. sowie ägypt. Flotten aus dem pers. und dem arab. Meerbusen ins ind. Meer und in der Zeit zunächst vor und nach Chr. vermittelten die Römer durch ihre Heerzüge in Vorderasien, in Afrika, nach dem westl. und nördl. Europa, die Kunde von diesen Erdgegenden. Die Völkerwanderung und der Umsturz des abendländ. Römerreichs (476 n. Chr.) waren ungünstige Verhältnisse zu Reisen in einem großen Theile der damals bekannten Erde und wir haben aus jener Zeit nur von Moses von Chorene nach eigner Ansicht verfaßte Nachrichten über das östl. Asien, vom Mönch Kosmas über Äthiopien und vom Mönch Jornandes über das östl. und nördl. Europa. Während des Mittelalters zeichneten sich die Araber besonders durch ihre Reisen in Asien aus, wo sie zu den Alten unbekannt gebliebenen Gegenden vordrangen und zu Lande wie zu Wasser mit China in Verbindung traten; ebenso wurden in Folge ihrer Eroberungen ihre Schriftsteller die Quelle wichtiger Nachrichten über den N. und das Innere von Afrika. Die erste Kunde von China brachte der Franziskaner Rubruquis nach Europa, welchen Ludwig der Heilige an den Großchan der Mongolen abgesendet hatte; der berühmteste europ. Reisende jener Zeit war aber Marco Polo (s.d.). Im N. Europas wurden durch die kühnen Seefahrten der Normänner die Inseln in der Nordsee, Island, Grönland und selbst ein Theil von Nordamerika (im 9. und 10. Jahrh.) bekannt und auch mit Niederlassungen bevölkert. Der Eifer für Ausbreitung des Christenthums führte den h. Bonifacius, Ansgar und Adalbert (s.d.) ins nördl. Europa, welches bremer Kaufleute, die 1157 an die Küste von Liefland verschlagen wurden und auch die Brüder Zeni aus Venedig aufhellen halfen; andere Heidenbekehrer drangen tief nach Asien hinein und viele Wallfahrer besuchten die Morgenländer. Um rabbinische Weisheit zu lehren, bereiste der Jude Benjamin von Tudela im 12. Jahrh. Südeuropa, das nördl. Afrika, Vorderasien und Indien, und Luft an Abenteuern führte im 14. Jahrh. John Manderville und den deutschen Joh. Schildberger in das Reich Tamerlan's, den auch 1403 der Spanier Clavijo als Gesandter Heinrich III. von Castilien besuchte. Im 15. Jahrh. gelangten die Portugiesen, indem sie der Westküste von Afrika folgten, von Entdeckung zu Entdeckung an das Vorgebirge der guten Hoffnung, das 1486 von Bartolomeo Diaz (s.d.) aufgefunden wurde und Vasco de Gama (s.d.) erreichte von da aus 1498 Ostindien. Albuquerque (s.d.) und Andere vermehrten hierauf die portug. Entdeckungen im ind. Meere und an der Ostküste von Afrika (s. Portugal), während Christoforo Colombo (s.d.), das atlantische Meer westl. durchschneidend, 1492–98 in drei Seereisen für Spanien zuerst die Antillen und dann das Festland von Mittelamerika entdeckte. Brasilien ward 1506 von dem Portugiesen Pedro Alvarez Cabral, Neufundland und Labrador und die Westküste von Nordamerika schon 1497 von den Engländern unter Sebastian Cabot's Führung entdeckt. Merkwürdig sind auch die in dieser Zeit von dem gelehrten Araber Leo (seit 1510) unternommenen Wanderungen durch Nordafrika, Arabien, Persien und die Tatarei, sowie die Entdeckungen der Russen in Nordasien.
Auf jene großen Entdeckungen im O. und W., welche in der Geschichte gewöhnlich als Grenze des Mittelalters betrachtet werden, folgte naturgemäß die Erweiterung und Durchforschung derselben, wobei im 16. Jahrh. die Holländer, Franzosen und Engländer als Nebenbuhler der Spanier und Portugiesen auftraten. Der Wunsch, einen westl. Weg nach Ostindien zu entdecken, führte durch den im span. Dienste stehen den Fernando de Magellan (s.d.) die erste Reise um die Erde 1520 herbei. Der Erste, welcher nach ihm eine solche unternahm, war 1577 der Engländer Franz Drake (s.d.); die dritte Erdumsegelung ward 1586 von Thomas Cavendish, die vierte von Hawkins 1593 unternommen. Schon hatten auch die zahlreichen Reisen begonnen, welche bezweckten, einen Seeweg um die Nordküste von Amerika oder um das nördl. Europa und Asien nach Indien aufzufinden (S. Nordpolexpeditionen.) Von Australien waren ebenfalls schon mehre Inselgruppen durch span. Seefahrer entdeckt worden, die größten Inseln und [666] das Festland aber wurden im 17. Jahrh. hauptsächlich durch Holländer aufgefunden, von denen 1595 Cornelius Houtman die erste Fahrt nach Ostindien antrat. Um dieselbe Zeit singen die Handelsreisen der Engländer dahin an und auch die Franzosen, zuerst Franz Poyrard, versuchten seit 1601 die Fahrt dahin; merkwürdig ist auch aus dieser Zeit der franz. Reisende Leblanc durch seine vierzigjährigen Wanderungen, 1568–1608, in fast allen Gegenden der Erde. Waren auch jetzt keine neuen Erdtheile mehr aufzufinden, so blieben doch so viele Länder und Meere genauer zu durchforschen übrig, daß bei den gesteigerten Anfoderungen darin noch immer gar viel zu leisten bleibt; auch ward erst im 18. Jahrh. nach Erweiterung der Entdeckungen in Australien darin ein fünfter Erdtheil anerkannt. China und Japan besuchten im 17. Jahrh. Spanier, Portugiesen, Holländer und Briten, der deutsche Reisende Engelbrecht Kämpfer gab über Japan, das er von 1683–92 besuchte, die besten und erst in der neuesten Zeit durch v. Siebold erweiterten Nachrichten. Umfängliche Aufklärungen über Asien vermittelten auch in dieser Zeit die Missionare der Jesuiten; Nordasien ward vorzüglich auf Betrieb Rußlands bereist, das auch Gesandtschaftsreisen nach China unternehmen ließ; Briten und Franzosen untersuchten hauptsächlich das nördl., Spanier und Holländer das südl. Amerika. Franzosen, Holländer, Briten, Portugiesen und auch mehre Deutsche, (z.B. Hebenstreit, der 1732 Nordafrika, Pet. Heyling, der 1634, wie später Wansleben, Abyssinien bereiste), versuchten in Afrika vorzudringen. Einen ganz neuen Charakter erhielten die Entdeckungsreisen seit der Mitte des 18. Jahrh. durch die großen Fortschritte, welche die auf die Schiffahrt zunächst einwirkenden Wissenschaften und ihre Anwendung seitdem fortwährend machten. Die Reisen um die Erde, welche von den Engländern Anson, 1740–44, John Byron (s.d.), dem ersten franz. Erdumsegler Bougainville im J. 1766, sowie gleichzeitig von den Briten Samuel Wallis und P. Carteret unternommen wurden, wurden in ihren Erfolgen weit von denen des berühmten Cook (s.d.) übertroffen. Im J. 1786 trat Lapeyrouse (s.d.) seine berühmte aber unglückliche Reise um die Erde an; andere führten der Spanier Malaspina von 1790–92. die Russen Krusenstern 1803, Otto von Kotzebue 1815–18 und 1823–26, Bellingshausen von 1819–21, die franz. Seefahrer Freycinet, Duperrey, Bougainville, Dumont d'Urville, der Holländer Troost von 1824–26, sowie das preuß. Schiff Mentor von 1822–24, das von der preuß. Seehandlungsgesellschaft ausgerüstete Schiff Luise unter Capitain Harmsen 1825–29, und unter Capitain Wendt 1830–32, sowie 1832–34 aus. Übrigens gehören Reisen um die Erde von Handelsschiffen und für kaufmännische Zwecke jetzt nicht. mehr zu den Seltenheiten; auch werden von den meisten sogenannten europ. Seemächten fortwährend Schiffe zur Untersuchung und Aufnahme einzelner Küsten und Meere und zu Anstellung bestimmter Beobachtungen abgesendet. Zu den berühmtesten Landreisenden der neuesten Zeit gehören der Schotte Mackenzie, welcher den Westen von Nordamerika aufhellte, Mungo Park (s.d.), Hugh Clapperton (s.d.), Capitain Laing, R. Lander (s.d.), und auch deutsche Reisende für fast ausschließende wissenschaftliche Zwecke nehmen unter ihnen einen bedeutenden Rang ein, vor Allen aber glänzt hier A. von Humboldt (s.d.); Hornemann, Röntgen und Burckhardt fanden in Afrika im Anfang des laufenden Jahrh. ihr Grab, Andere nahmen an den russ. Erdumschiffungen Theil, wie A. von Chamisso (s.d.); Amerika ward von Deutschen im N. und S. mehrfach bereist; Franz von Siebold gab das Beste über Japan, Honigberger aus Siebenbürgen verweilte 20 Jahre im Asien, der Missionar Gützlaff aus Pommern trägt wesentlich zur Aufklärung über China bei. Doch sind das nur Wenige aus der großen Zahl der deutschen Reisenden, welche mit Erfolg an Erweiterung der Kenntnisse von der Erde, ihren Bewohnern und innern und äußern Verhältnissen gearbeitet haben und fortwährend dafür wirken. Eine »Geschichte der Entdeckungsreisen« hat Falkenstein (2 Bde., Dres. d. 1828) geliefert.
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