Janitscharen

[484] Janitscharen, eigentlich Jeni-tscheri, d.h. neue Scharen, war der Name einer Abtheilung der türk. Soldaten, welche in dem Rufe ausgezeichneter Tapferkeit stand und bei den Türken selbst große Ehren und wichtige Vorrechte besaß. Ammurath I. stiftete dieses Corps 1362. Er hob den fünften Theil aller Christenkinder in seinem Reiche aus, welche das 15. Jahr überschritten hatten, und übergab sie Landleuten, welche sie in der mohammed. Religion unterrichten und für ihre körperliche Ausbildung Sorge tragen mußten. Nach zwei oder drei Jahren wurden die Jünglinge in den Waffen geübt und den Janitscharen zugeordnet. Als die neugebildeten Truppen eingeweiht wurden, redete sie ein Derwisch als Jeni-tscheri (neue Scharen) an und legte einem ihrer Befehlshaber den Ärmel seines Rocks auf das Haupt. Daher soll ihr Name und das eigenthümliche Abzeichen entstanden sein, das sie, nicht unähnlich einem Rockärmel, auf der hohen weißen Mütze trugen. Anfänglich bestand das Corps aus etwa 8000 M., welche aber später zu 40,000 anwuchsen und wenigstens anfänglich nur durch Christenkinder ergänzt wurden. Das Corps war in 196 Regimenter oder Ortas getheilt und jede Orta wurde von einem Aga befehligt, unter dem dann wieder ein Unterbefehlshaber (Orta-Baschi) und ein Hauptmann (Schiur-Baschi) standen. Eine wichtige Person bei jeder Orta war der Koch, der ein Staatskleid trug, das mit silbernen Löffeln, Messern u. dgl. geschmückt war; auch trug jeder Janitschar ein ledernes Futteral über der Stirn, in dem ein hölzerner Löffel steckte. Ihre Waffen waren eine lange schwere Flinte, ein kurzer Säbel, ein Messer und ein Pistol im Gürtel. Während des Friedens wurden diese Waffen zu Konstantinopel aufbewahrt und statt ihrer trugen die Janitscharen lange Stäbe. Sie waren nicht geübt, in Reih und Glied zu fechten, sondern ihre Tapferkeit bestand im regellosen, aber mit wüthender Begeisterung gemachten Angriff. Eine besondere Wichtigkeit erhielten die Janitscharen dadurch, daß aus ihnen die Leibwache des Sultans bestand. Wenn ein Sultan den Thron bestieg, so ließ er sich in eine Orta der Janitscharen einschreiben. Als Sultan Osman II. entthront worden war, war ein Janitschar der 65. Orta so frech, den gestürzten Monarchen öffentlich zu verhöhnen, weswegen Murad III., welcher den Thron bestiegen hatte, die ganze Orta vernichtete. Nichtsdestoweniger mußte diese Orta zur Erinnerung an jene Strafe bei gewissen Gelegenheiten unter den übrigen Ortas mit aufgerufen werden; wenn aber der Aufruf wiederholt worden war, so antwortete ein Offizier: »Laß ihre Stimme schweigen, laß sie gänzlich erloschen sein!« – Mit der Zeit hatte diese Truppe immer mehr an Brauchbarkeit verloren und verschiedene Versuche, ihr eine verbesserte Gestalt zu geben, waren durch Empörungen vereitelt worden. Als der jetzt lebende Sultan eine zeitgemäße Umgestaltung mit ihnen vornehmen wollte, brach eine blutige Empörung aus, deren endliche Folge war, daß die Empörer besiegt, ihre Kaserne verbrannt und die Schuldigen hingerichtet wurden. Über 15,000 fielen auf diese Weise und über 20,000 wurden verbannt. Die Aufhebung des Corps war am 17. Jun. 1826 ausgesprochen worden. Neben den eigentlichen Janitscharen bestand noch eine gegen 100,000 M. zählende Miliz, welche denselben Titel führte, aber kein regulaires Heer bildete, sondern aus ansässigen Türken bestand, welche nur selten in den Kampf zogen, keinen Sold erhielten und durch das ganze Land vertheilt waren. – Die Türken haben, wie alle auf einer niedrigen Culturstufe stehenden Völker, sehr geringe musikalische Kenntnisse und Fertigkeiten und bedienen sich daher bei ihren musikalischen Aufführungen vorzugsweise der sogenannten Lärminstrumente, welche nur dazu dienen, ein klingendes Getöse nach einem gewissen Rhythmus zu erzeugen, nicht aber mannichfaltige, durch Höhe und Tiefe unterschiedene Töne hervorzubringen. Solche Instrumente sind die Trommel, der halbe Mond, der Triangel, die Becken, Schellen u. andere, und man nennt die mit ihnen aufgeführte Musik, bei welcher zwar auch Blaseinstrumente zur Angabe der Melodie angewendet, aber von dem wilden Getöse jener Lärminstrumente übertönt werden, türkische Musik oder Janitscharenmusik. Auch bei uns hat man diese Art von Musik, aber sehr veredelt, eingeführt und sie ist, an dem gehörigen Orte angewendet und besonders in der Militairmusik, sehr wirksam.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 484.
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