[511] Jubeljahr hieß bei den Juden jedes 50. Jahr, das durch den Hall der Posaunen am 10. Oct., als am großen Versöhnungstage, im ganzen Lande verkündigt wurde, weshalb es auch Halljahr genannt wurde. Während desselben mußte alle Feldarbeit ruhen; Sklaven, welche Hebräer waren, wurden frei; das veräußerte Grundeigenthum kam an den ursprünglichen Besitzer oder seinen rechtmäßigen Erben wieder zurück; alle Schulden wurden erlassen. Diese Einrichtung hatte den wohlthätigen Zweck, einer gänzlichen Verarmung israelit. Familien vorzubeugen, die Fruchtbarkeit des Landes zu erhöhen und die Gleichheit unter den Güterbesitzern zu erhalten. Doch scheint sie nicht vor dem Exil bestanden zu haben. – In Nachahmung des jüd. Jubeljahrs erklärte der Papst Bonifacius VIII. 1300 das erste Jahr des neuen Jahrhunderts für ein Jubeljahr oder Jubiläum, in welchem Allen, die nach Rom wallfahrten und fromme Spenden bringen würden, Vergebung der Sünden durch den Ablaß angekündigt wurde; daher auch Ablaßjahr. Die großen Geldsummen, die dadurch dem röm. Stuhle zuflossen und der [511] Wunsch, daß jeder Christ ein Jubeljahr erleben möchte, bewogen Clemens VI. 1350 jedes 50., Urban VI. 1389 jedes 33., in Beziehung auf Jesu 33jährigen Aufenthalt auf der Erde, Paul II. 1470 jedes 25. Jahr zu einem Jubeljahre zu bestimmen. Da aber der in einem Jubeljahre von der Kirche gespendete Segen wegen der kostspieligen Reisen nach Rom der Christenheit nicht allgemein zu Theil werden konnte, so erklärte Paul in den verschiedenen Ländern gewisse Kirchen zu Gnadenstätten, wo er Jedem für den dritten Theil der Summe zuertheilt wurde. Die durch solche allgemeine Ablässe gesammelten Gelder wurden zugleich als eine Steuer zum Türkenkriege oder zum Bau der Peterskirche betrachtet. Aber sie kamen immer sparsamer ein, seitdem durch die Reformation das Ablaßwesen erschüttert worden war. Doch wurde noch 1825 das Jubeljahr mit vielem Enthusiasmus in Rom gefeiert. In der protestantischen Kirche ist dem Andenken an die Reformation von 1517, an die Übergabe der augsburgischen Confession von 1530 und an die Stiftung des Religionsfriedens von 1555 aller hundert Jahre eine dreitägige Feier gewidmet worden. Auch andere wichtige Ereignisse des Völker- und Familienlebens, der Staaten, Wissenschaften und Künste werden durch Jubiläen oder Jubelfeste gefeiert.