Kaunitz

[590] Kaunitz (Wenzel Anton, Fürst von), Graf zu Rietberg, k. k. Hof- und Staatskanzler, wurde 1711 zu Wien geboren und zum geistlichen Stande bestimmt, weil er der jüngste von fünf Brüdern war. Er erhielt eine Domherrnstelle zu Münster. Als aber seine Brüder gestorben waren, trat er aus dem geistlichen Stande. Nachdem er zu Wien, Leipzig und Leyden studirt, England, Frankreich und Italien bereist hatte, ernannte ihn Kaiser Karl VI. 1735 zum Reichshofrath und bald darauf zum zweiten kais. Commissarius am Reichstage zu Regensburg. Nachdem jener Kaiser 1740 gestorben war, lebte K. auf seinen Gütern in Mähren. Schon im folgenden Jahre wurde er aber von der Königin Maria Theresia zu verschiedenen diplomatischen Sendungen verwendet und kam 1744 als östreich. Minister an den Hof des Herzogs Karl von Lothringen, des Generalgouverneurs der östreich. Niederlande. Bald darauf starb des Herzogs Gemahlin, die Erzherzogin Maria Anna, und K. übernahm, da der Herzog abwesend war, auf einige Zeit die Regierung der östreich. Niederlande. Nachdem er sich in den Niederlanden noch einige Zeit als wirklicher bevollmächtigter Minister aufgehalten hatte, begab er sich nach Aachen und suchte, um der Herstellung seiner Gesundheit leben zu können, um seine Entlassung nach. Doch bald darauf trat er bei dem Friedenscongreß zu Aachen wieder als Gesandter auf und begab sich nachher, zum wirklichen Conferenz- und Staatsminister ernannt, 1750 als Gesandter an den franz. Hof, wo er bis 1752 eine vollkommene Aussöhnung mit Östreich bewirkte. Als nun K. 1753 Hof- und Staatskanzler und überdies 1756 niederländ. und italien. Kanzler geworden war, hatte er die oberste Leitung der politischen und innern Angelegenheit des ganzen Kaiserstaates in Händen. In Anerkennung [590] seiner Verdienste erhob ihn und seine männlichen Nachkommen Kaiser Franz l. 1764 in den Reichsfürstenstand. Zwar behielt K. nach dem Tode der Kaiserin Maria Theresia seine Stellung, doch nahm sein Einfluß unter den folgenden Kaisern Joseph II. und Leopold II. immer mehr ab, und als Franz II. die Regierung antrat, so legte er die Würde eines Hof- und Staatskanzlers nieder. Er beschloß sein thatenreiches Leben den 27. Jun. 1794. K. war ein Freund und Beförderer der Künste und Wissenschaften, wußte das politische Ansehen Östreichs würdevoll geltend zu machen, förderte dessen innern Wohlstand und suchte auch zur geistigen Erhebung des Volkes beizutragen, wie man denn ihm namentlich die kirchlichen Reformen zuschrieb, welche Joseph ausführte.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 590-591.
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