[110] Meng-tsü, von Europäern oft Mencius genannt, einer der berühmtesten alten chines. Sittenlehrer und Schriftsteller, lebte im 4. Jahrh. v. Chr. und erhielt durch seine verwitwete Mutter Tschangschi eine so vortreffliche Erziehung, daß sie deshalb bei den Chinesen noch als Muster [110] aufgestellt wird.
Er genoß hierauf den Unterricht eines Enkels seines großen Vorgängers Kon-fu-tse (s.d.), studirte emsig die h. Bücher seines Volkes und trachtete später danach, seinen weisen Rathschlägen zum Besten des damals unter mehre, nur auf Eroberungen und nicht auf das Wohl des Volkes bedachte Fürsten getheilten Landes Gehör zu verschaffen. Als ihm das jedoch nicht gelang, wendete er sich in seine Heimat zurück, wo sich eine kleine Anzahl von Schülern um ihn sammelte, und starb hochbejahrt um 315 v. Chr., nachdem er die von Kon-fu-tse gesammelten Bücher Schi-king und Schu-king neu geordnet und selbst ein moralisch-politisches Werk geschrieben hatte, welches die Chinesen zu den vier Schriften rechnen, welche nach ihren h. Büchern den größten Werth besitzen. Zu diesem Ansehen gelangten sie, sowie sein Andenken, aber erst lange nach M.'s Tode und fast wäre es wieder um seinen Ruhm geschehen gewesen, indem im 14. Jahrh. der Kaiser Hung-wu, Stifter der Dynastie Ming, erbittert über die schonungslose Wahrheit, mit der M. in seinen Werken die Gebrechen auch der Vornehmen rügt, alle dem Gedächtniß desselben erwiesenen Ehrenbezeigungen verbot und sein Andenken gleichsam für erloschen erklärte. Ein freimüthiger chines. Gelehrter erinnerte jedoch den Kaiser an die der Wahrheit gebührende Achtung und dieser hob die gegen M.'s Ruhm genommenen Maßregeln wieder auf.