[280] Nicolai (Christoph Friedr.), ein um die Verbreitung wissenschaftlicher Bildung und die Vereinigung der geistigen Bestrebungen in Deutschland höchst verdienter und ausgezeichneter Schriftsteller und Buchhändler, war 1733 in Berlin geboren, wo sein Vater eine Buchhandlung besaß und ihn für dasselbe Geschäft erzog. Während daher N. in einer Buchhandlung zu Frankfurt a. d. O. in der Lehre war, benutzte er aber aus eignem Antriebe seine freie Zeit zur Erweiterung seiner bereits erworbenen Kenntnisse von alten und neuen Sprachen, las die besten classischen, namentlich auch die vorzüglichsten engl. Schriftsteller und studirte Philosophie, Mathematik und Geschichte. Dadurch befähigte er sich denn, nach seiner Rückkehr ins väterliche Haus, mit Erfolg gegen die großen Schwächen der beiden Parteien, welche damals in der schönen Literatur durch Gottsched und Bodmer (s.d.) bestanden, in seinen »Briefen über den jetzigen Zustand der schönen Wissenschaften« (Berl. 1756) aufzutreten. Gleichzeitig zog er sich auch ganz vom Buchhandel zurück, um blos den Wissenschaften zu leben, sah sich aber durch den Tod seines Bruders 1759 genöthigt, die Leitung des väterlichen [280] Geschäfts von Neuem zu übernehmen. Die Freundschaft des berühmten Lessing verschaffte ihm auch den vertrauten Umgang M. Mendelssohn's und diesem Vereine schlossen sich allmälig die meisten guten Köpfe jener Zeit an. Zusammen mit Mendelssohn gab N. die ersten vier Bände der »Bibliothek der schönen Wissenschaften« (Lpz. 1757–59) heraus, welche für die deutsche Kritik in diesem Gebiete eine neue und bessere Bahn eröffneten, und denen nach erfolgter Überlassung der Fortsetzung an den ihnen befreundeten C. F. Weiße in Leipzig, im Vereine mit Lessing u.A. die noch weit wichtigern »Briefe, die neueste deutsche Literatur betreffend« (24 Bde., Berl. 1759–65) sich anschlossen. Nach ihnen trat der von N. ausgegangene Entwurf einer »Allgemeinen deutschen Bibliothek« ins Leben, welche 40 Jahre, bis 1806, sich hielt und besonders in der ersten Zeit das Fortschreiten allgemeinerer wissenschaftlicher Bildung in Deutschland ausnehmend beförderte. Zwar gab N. 1792 die Leitung des Unternehmens auf, welches nun zu Kiel als »Neue allgemeine deutsche Bibliothek« fortgesetzt wurde, übernahm aber vom 56. Bande derselben die Herausgabe von Neuem. Seine große Unduldsamkeit wider Alles, was mit seinen Ansichten nicht übereinstimmte, in denen er gleichwol den durch seine Bestrebungen zum Theil mit angeregten Umschwung in der schönen Literatur, sowie den noch bedeutungsvoller hervortretenden Einfluß der Lehren Kant's nicht zu würdigen und zu begreifen vermochte, brachte N. allmälig um sein literarisches Ansehen und verwickelte ihn mit Herder, Wieland, Lavater, Fichte, A. W. Schlegel u.A. in viele Streitigkeiten. N. ist auch Verfasser mehrer biographischer, geschichtlicher und topographischer Schriften, einer »Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz« (12 Bde., 3. Aufl., 1788–96), die zwar breit abgefaßt, aber gar nicht unverdienstlich ist, sowie einiger Romane, von denen »Leben und Meinungen des Magisters Sebaldus Nothanker« gegen die Strenggläubigen, die Schwärmer und die Empfindelei seiner Zeit gerichtet ist und vier Auflagen erlebte. N.'s letzte Lebensjahre wurden noch durch die von ihm tief empfundene Franzosenherrschaft in Deutschland verbittert, deren Vernichtung er nicht erlebte, sondern im Jan. 1811 starb, nachdem er auch seine Gattin und seine acht Kinder hatte vor sich dahinsterben sehen. Mehre und auch auswärtige Akademien und gelehrte Gesellschaften ehrten N. durch Ernennung zu ihrem Mitgliede; sein Leben, über das er auch selbst geschrieben hat, und sein literarischer Nachlaß fanden an v. Göckingk (Berl. 1820) einen Herausgeber.