Nothrecht

[308] Nothrecht oder »Recht der Noth« nennt man Dasjenige, was bei so großer Bedrängniß und Gefähr, daß nur durch Eingriffe in die Rechte Anderer Rettung daraus möglich scheint, zu thun erlaubt oder dann der Umstände wegen zu Gute zu halten ist, wie das Sprüchwort sagt: Noth hat kein Gebot, d.h. im Nothfalle verstummt das Gesetz. Wer z.B. bei wahrer Hungersnoth Lebensmittel für sich und [308] die Seinigen entwendet, der dem Ertrinken Nahe, welcher im natürlichen Bestreben der Selbsterhaltung ein letztes Rettungsmittel erfaßt, dadurch aber vielleicht eines Andern Untergang herbeiführen hilft, ist vor dem äußern Richter straflos. Daraus folgt aber keineswegs, daß einem in der Noth Alles erlaubt sei und daß man darin gleichsam ein Recht zum Unrecht habe, sondern blos in gewissen höchsten Nothfällen tritt die Rücksicht ein, Jemand wegen darin begangener Eingriffe in fremde Rechte nicht als zurechnungsfähig zu betrachten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 308-309.
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