[309] Nothwehr nennt man die gesetzlich erlaubte Selbsthülfe gegen Angriffe auf unsere Rechte oder unsere Person. Diese Selbsthülfe ist aber an bestimmte Bedingungen geknüpft und darf nicht den Grad der Gewalt überschreiten, welcher zur Abwehr des Angriffs hinreicht. Die Erfodernisse der Nothwehr bestehen darin, daß der Angriff ungerecht und wirklich gemacht ist und nicht erst bevorsteht, daß er nicht von dem Angegriffenen selbst hervorgerufen und auf die Verletzung eines Guts gerichtet ist, das entweder an sich unersetzlich ist, z.B. das Leben, oder unter den vorhandenen Umständen wahrscheinlich unwiederbringlich verloren geben würde, wie gestohlene Gelder oder Sachen. Bloße Injurien begründen daher das Recht der Nothwehr nicht, da angenommen werden muß, daß die verletzte Ehre mit Hülfe des richterlichen Schutzes wiederhergestellt werden kann. Ist das Recht der Nothwehr auf die angegebene Weise begründet, so kann man unbedenklich davon Gebrauch machen und in geeigneten Fällen selbst ungestraft Andere verletzen, muß sich aber vorsehen, daß man die Grenzen der Nothwehr nicht überschreitet, keinen »Exceß der Nothwehr« begeht, wie es in der juristischen Sprache heißt. Ein solcher wird, sobald er wirklich verschuldet ist, von den Gesetzen bestraft, muß indeß stets gehörig bewiesen sein.