Nothrecht

[138] Nothrecht (Nothfall, Nothstand, nicht zu verwechseln mit Nothwehr, s.d.), ist 1) vorhanden, wenn Jemand, ohne die nächste Veranlassung eines widerrechtlichen Angriffes, doch durch den Drang außerordentlicher Umstände in eine solche Lage der Noth u. Bedrängniß gerathen ist, daß er, ohne ein Strafgesetz zu übertreten u. so die Rechte Anderer zu verletzen, sich nicht daraus zu retten vermag. In solchem Falle hat die zur Rettung vorgenommene Übertretung des Strafgesetzes straflos zu bleiben. Von wem der Nothstand ausgegangen, namentlich ob er für den Bedrängten unverschuldeter od. verschuldeter Weise eingetreten ist, ist dabei einerlei, u. insofern geht das Recht des Nothstandes weiter, als das Recht der Nothwehr (s.d.); beschränkter ist ersteres dagegen insofern, als die Straflosigkeit nur auf den Fall einer unmittelbaren, für Leib u. Leben des Benöthigten drohenden Gefahr anzunehmen u. der Kreis dritter Personen, zu deren Rettung man straflos ein Strafgesetz übertreten darf, nur auf die nächsten Angehörigen einzuschränken ist. Die Carolina erwähnt das N. nur für den Fall, wenn Jemand, um sich selbst, sein Weib od. seine Kinder vom Hungertode zu retten, unmittelbar genießbare Dinge stiehlt; 2) im Staatsrecht die Befugniß der Staatsgewalt, wegen eines unabweislichen öffentlichen Bedürfnisses Privateigenthum auch ohne eigentliches Expropriationsgesetz dem Besitzer zu entziehen, um es für einen öffentlichen Zweck zu verwenden (Dominium eminens, Machtvollkommenheit des Staates). Jedenfalls versteht sich dabei die Gewähr vollständigster Entschädigung von selbst. In Bezug auf andere Verhältnisse, als Vermögensrechte, läßt sich aber ein N. des Staates nicht begründen, als insofern nicht die Voraussetzungen eintreten, unter denen ein Kriegszustand verkündet werden kann.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 138.
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