Pellico

[438] Pellĭco (Silvio, Graf), geb. 1789 zu Saluzzo in Piemont, gehört zu den vorzüglichsten ital. Dichtern der neuesten Zeit, ist jedoch erst durch die Geschichte seiner Leiden als politischer Gefangener zum Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden. P.'s Vater, welcher eine Seidenspinnerei zu Pignerolles besaß, Geschmack an der Dichtkunst fand und selbst mit Geschick darin sich versuchte, begünstigte daher die Entwickelung der bei seinem Sohne sich frühzeitig aussprechenden dichterischen Anlagen. Dieser folgte 1805 seiner nach Lyon sich verheirathenden Schwester und hatte Italien ganz aus den Augen verloren, als plötzlich seine ganze Theilnahme durch ein Gedicht des republikanischen Dichters Ugo Foscolo, gest. 1827 zu London, demselben wieder zugewendet wurde. Er begab sich alsbald nach Mailand, wo er bei Foscolo und dessen Freunden die zuvorkommendste Aufnahme und vollauf Gelegenheit fand, die in ihm rege gewordenen Ideen freisinniger Vaterlandsliebe und weltbürgerlichen Sinnes auszubilden und zu veredeln. Als Napoleon's Herrschaft aufgehört hatte und das lombard. venetian. Königreich errichtet worden war, lebte P. als Erzieher im Hause des Grafen Lambertenghi zu Mailand und hatte sich durch einige Trauerspiele einen Namen erworben. Zugleich war er mit mehren befreundeten Gelehrten bemüht, als Schriftsteller durch Verbreitung aufgeklärter Ideen für die Wiedergeburt Italiens zu wirken, kam aber dadurch in Verdacht der Theilnahme an revolutionnairen geheimen Verbindungen und ward 1820 gleich viel Andern seiner Landsleute verhaftet, Nach qualvoller Verwahrung in mehren Kerkern ward ihm und seinem Freunde Maroncelli im Febr. 1822 zu Venedig öffentlich die Verurtheilung zum Tode bekannt gemacht, welche aber für P. in 15 Jahre, für Maroncelli in 20 Jahre hartes Gefängniß auf dem Spielberge verwandelt worden war, wohin sie hierauf abgeführt wurden. Dort verbrachten sie in Ketten und anfangs in unterirdischen Kerkern und getrennt, später jedoch in einem wenigstens am Tage hellen Gefängnisse vereinigt, zehn peinliche Jahre in tödtlicher Langeweile und Krankheit, aber mit einer Ergebung, welche selbst die Kerkerknechte so rührte, daß diese mitunter freiwillig kleine Erleichterungen der harten Behandlung eintreten ließen. Nachdem endlich im Aug. 1830 P. und Maroncelli, dem ein Bein im Kerker hatte abgelöst werden müssen, begnadigt worden war, kehrte der Erstere zu den Seinigen nach Turin zurück und gab 1833 jene rührende Geschichte seiner Gefangenschaft heraus, welche ins Französische, Englische und Deutsche (»Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Grafen Silvio P.«, Lpz. 1833) übersetzt wurde und auf jeder Seite Beweise seiner edeln Denkungsart liefert. Auch P.'s frühere und spätere Dichtungen sind theils einzeln, theils gesammelt (»Sämmtliche Werke« in einem Bde., Zwickau 1838) verdeutscht worden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 438.
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