[761] London, die Hauptstadt des brit. Reiches, die größte Stadt Europas und die bedeutendste Handelsstadt der Erde, liegt an der Themse, zwölf Meilen von der Mündung derselben.
Die Themse ist bis L. so breit und tief, daß auf ihr die größten Kauffahrteischiffe bis in die Stadt kommen können, welche sich zu beiden Seiten des Flusses vier Meilen weit in die Länge und drei Meilen weit in die Breite ausdehnt. L. enthält 14,000 Straßen, 34 Marktplätze, 60 Squares, d.h. Plätze, in deren Mitte ein Rasenplatz, 300,000 Häuser und gegen 11/2 Mill. Einw., unter denen fortwährend etwa 50,000 Fremde. Die über England ruhende Atmosphäre ist im Allgemeinen trübe und reich an Nebeln, vorzüglich ist dies aber in L. der Fall, welches fast stets in einen mehr oder weniger dichten Heerrauch eingehüllt erscheint. L. ist zu seinem jetzigen Umfange durch das allmälige Zusammenrücken einer Menge kleinerer Ortschaften entstanden. Die Haupttheile sind: die Altstadt oder City, das ursprüngliche L., Westminster und Southwark. Die City und Westminster liegen am linken Ufer der Themse an einer sanftansteigenden Anhöhe und gehören zu der Grafschaft Middlesex; Southwark liegt auf dem rechten Themseufer, welches eben und sandig ist und zur Grafschaft Surrey gehört. Die City ist der Sitz des engl. Handels, voll regen Geschäftslebens, finster und eng. In Westminster residirt der Hof, wohnt der reiche hohe Adel und überall herrschen Glanz und Pracht. Southwark ist eine Fabrikstadt voll unermüdlicher Thätigkeit, aber ohne äußerliche Eleganz, die Häuser ohne äußere Ordnung nach ihrer Bestimmung für die Industrie zusammengehäuft. Die meisten Häuser der Stadt sind aus Backsteinen leicht aufgeführt, schmal und zwei bis drei Stockwerke hoch, mit vielen Fenstern, inwendig auf das wohnlichste eingerichtet. Die ganze Stadt ist bis zu den Zifferblättern der Uhren vortrefflich mit Gas beleuchtet und durchgängig ausgezeichnet gepflastert. L. hat eine Menge theils geschichtlich merkwürdiger, theils durch ihre Bauart ausgezeichneter Gebäude. Der hier abgebildete Tower ist eine Art Citadelle an der Ostseite der City, aber außerhalb des Bezirks derselben, deren Ursprung in die ältesten Zeiten der Stadt fällt. Ein Wall und tiefe Gräben umfassen das 12 Morgen einnehmende Bauwerk. Der älteste Theil, der weiße Tower genannt, steht in der Mitte und bildet ein viereckiges Gebäude, auf jeder Ecke mit einem Thurme. Von Heinrich III. bis Heinrich VIII. war er der Wohnsitz der Könige, dann wurde er bis ans Ende der Regierung des Hauses Stuart ein Staatsgefängniß. Jetzt werden im Tower die Reichskleinodien aufbewahrt und sonst ist er als Zeughaus und Waffensammlung, sowie als das älteste Staatsarchiv merkwürdig. In der Gewehrkammer sind Gewehre aller Art zur augenblicklichen, vollständigen Ausrüstung von 206,000 M. Die ältern Waffen sind seit 1825 geordnet und in einem 149 F. langen, 33 F. breiten Saale aufgestellt. Merkwürdig ist noch die von Eduard I. erbaute Kapelle im Tower, in welcher mehre im Tower gestorbene oder als Staatsgefangene hingerichtete berühmte Personen begraben liegen, namentlich Anna Boleyn, Katharina Howard (die Gemahlinnen Heinrich VIII.), O. Cromwell, Johanna Gray, der Graf Essex u. A. In der [761] City auf einer kleinen Anhöhe ziemlich in der Mitte der Stadt liegt die hier abgebildete Paulskirche, die größte protestantische Kirche, 500 F. lang und 250 F. breit. welche 1675–1710 nach dem Muster der Peterskirche zu Rom erbaut worden ist und 11/2 Mill. Pf. Sterl. gekostet hat. Sie hat ein schönes Säulenportal, eine herrliche, 350 F. hohe und 145 F. weite Kuppel und viele Denkmäler, z.B. des Seehelden Nelson und des Erbauers der Kirche, Christoph Wren. Die Börse, der Mittelpunkt des Handels, war ein prachtvolles Gebäude und ist Anfang 1838 ein Raub der Flammen geworden. In ihr lag Lloyd's Kaffeehaus, wo sich die bei der Handelsschiffahrt Betheiligten versammelten, sowie die Versicherungsbank. Andere merkwürdige Gebäude der City sind: das große, aber unregelmäßige Bankgebäude; Mansionhouse, die Wohnung des Lord Mayor, welcher jährlich gewählt wird und die erste Magistratsperson der Altstadt London ist; das Haus der ostind. Compagnie, in welchem ostind. Kunstwerke und Handschriften aufbewahrt werden; das neue Zollhaus; die Münze; die Handlungsballe; das Rathhaus der City; das große Gefängniß Newgate; das Bedlam-Hospital, das größte Irrenhospital in England; die alte Londonbrücke, in der Mitte 60 F. hoch, mit ihren 19 Bogen von ungleicher Größe 915 F. lang, 45 F. breit; die Wasserkunst, welche einen Theil der Stadt mit Flußwasser versorgt; die 1100 F. lange und 42 F. breite Blackfriarsbrücke mit 9 Bogen; die neue eiserne Southwarkbrücke Ein eigenthümliches Bauwerk ist das 1671–77 von dem Baumeister der Paulskirche aufgeführte Monument zum Andenken an eine große Feuersbrunst, welche im J. 1666 an 13,000 Häuser zerstörte. Dasselbe besteht in einer 200 F. hohen dorischen, canellirten Säule, in deren Innerm eine Treppe auf das mit einer Galerie versehene Capitäl führt.
Westminster, der westl. Theil der Stadt, enthält schöne Straßen und Plätze. Hier liegt die königl. Residenz, der St.-James-Palast, ein altes unregelmäßiges Gebäude. Ein herrliches Meisterwerk gothischer Baukunst ist die Westminsterabtei [762] oder die Kirche zu St.-Peter, deren Portal hier abgebildet ist. Dieselbe wurde schon im 13. Jahrh. begonnen, aber erst 1735 vollendet, indem die beiden Thürme nach Wren's Entwurf ausgeführt wurden. Hier liegen Englands Könige und viele seiner berühmtesten Männer begraben. Man sieht die Denkmäler Heinrich VII., Heinrich VIII., Newton's, Shakspeare's u.a. In gleichem Style, aber minder schön. ist Westminsterhall, wo der Krönungssaal und welches mit dem 1834 abgebrannten Parlamentshause in Verbindung stand. Zu bemerken sind ferner die prachtvolle Westminsterbrücke mit 15 Bogen, 1223 F. lang und 44 F. breit, die eiserne Vauxhall- oder Prinz-Regents-Brücke, 809 F. lang mit 9 Bogen, die Waterloo- oder Strandbrücke. Mit Colonnaden, Terrassen und Statuen reich geziert ist das neue Residenzschloß Buckinghamhouse im St.-James-Park. In dem Palast Somersethouse haben die königl. Societät der Wissenschaften, die königl. Akademie der Künste, die Alterthumsgesellschaft und mehre Staatsbehörden ihren Sitz. Eine der schönsten und großartigsten Bühnen enthält das Coventgarden-Theater, das 1662 entstand und nach dem Brande im J. 1808 prachtvoll nach dem Vorbilde des Minervatempels zu Athen wieder aufgebaut worden ist. Von noch höherm Alter und seit 1809 zum letzten Mal aufgebaut ist das Drurylane-Theater. Seit 1811 großartig aufgebaut ist das 1790 abgebrannte ital. Opernhaus oder das kön. Theater. Das 1821 in seiner jetzigen Gestalt hergestellte Haymarket-Theater gibt nur im Sommer Vorstellungen, während die großen Theater geschlossen sind. Im Bullock-Museum findet man eine Sammlung von Alterthümern, seltenen Naturgegenständen, Medaillen, Münzen und Büchern. Ausgezeichnete öffentliche Anstalten sind noch das London-Infirmary oder Hospital und das Findlingshospital. Öffentliche Spaziergänge sind der St.-Jamespark, an den sich der Greenpark und der bis zu den Gärten von Kensington reichende Hydepark anschließen, und der Regentspark.
In Southwark liegt von bemerkenswerthen Gebäuden nur der Palast des Erzbischofs von Canterbury, Lambethhouse genannt, ein altes unförmliches Gebäude, und das große Schuldgefängniß Kingsbench. Eine halbe Meile von der Westminsterbrücke liegt der Garten von Vauxhall, welches ein an der Themse liegendes Dorf ist. Ein eigenthümliches, riesiges Unternehmen ist der 1825 angefangene und noch nicht vollendete Themse-Tunnel. Derselbe ist ein Weg, welcher unter der Themse wegführen soll. Schon mehre Mal ist das Wasser von oben durchgedrungen und hat nur mit ungeheurer Anstrengung und großen Kosten wieder herausgeschafft werden können.
L. ist reich an öffentlichen Anstalten für Kunst und Wissenschaft, von denen die wichtigsten bereits erwähnt sind, und an gelehrten Gesellschaften. Zu diesen gehören die 1645 gestiftete Royal Society, die Gesellschaft für Alterthumsforschung, das Institut zur Erforschung Afrikas, die asiat. Gesellschaft von Großbritannien und Irland, die Gesellschaft der Künste, die Royal Institution und die London-Institution. Buchhandlungen gibt es ungefähr 1200, Buchdruckereien 300; es erscheinen durchschnittlich jährlich über 40 Tageblätter, fast ebenso viele Wochenschriften und 240 Monatsschriften. Für den Volksunterricht ist schlecht gesorgt, besser für den höhern. Seit 1828 hat L. eine nach Art der deutschen eingerichtete Universität. Da man dieselbe in religiöser Hinsicht verdächtigte, so wurde von der Gegenpartei noch eine zweite höhere Unterrichtsanstalt unter dem Namen Kings-College gestiftet. Andere wissenschaftliche Anstalten sind fünf besondere Collegien für Theologen, 16 für Juristen, 3 für Mediciner, eine Anstalt zur Bildung der Beamten für Ostindien, eine Militairakademie mit 3000 Zöglingen, 16 Gelehrtenschulen, 300 Armenschulen, 60 Lancasterschulen und 360 Sonntagsschulen. L. hat mehr als 500 kirchliche Gebäude für die verschiedenen Religionsparteien, und es entstehen fortwährend noch neue. Großartige religiöse Anstalten sind die Missionsvereine und die 1804 gestiftete britische Bibelgesellschaft, welche an 800 Hülfsgesellschaften in fast allen Theilen der Erde hat. Über 600,000 Thlr. werden jährlich auf Vertheilung von Bibeln verwendet. Sehr groß ist die Zahl der Wohlthätigkeitsanstalten, und dennoch kann man noch 15,000 Bettler und 4000 Diebe in L. rechnen. Vortrefflich sind die Anstalten zur Verbreitung des Wassers durch die ganze Stadt, welche durch acht verschiedene Gesellschaften geleitet werden. Die Fabriken sind ansehnlich, namentlich die Seidenwebereien, welche gegen 10,000 Stühle beschäftigen, und die Bierbrauereien. Noch wichtiger ist jedoch der Handel. L. hat 5000 eigne Schiffe und jährlich kommen durchschnittlich 15,000 Schiffsfrachten an Im Hafen liegen oft an 1000 Schiffe. Dieser Hafen erstreckt sich in einer Länge von einer deutschen Meile und einer Breite von 500 Ellen von der Londonbrücke bis Deptford, und dazu kommen noch die verschiedenen nassen und trockenen Docks (s.d.). Außer der 1698 gegründeten Bank von England bestehen in L. noch 72 unabhängige Privatbanken. Unter den Handelsgesellschaften sind die bedeutendsten: [763] die ostind. Compagnie, die Südseecompagnie, die russ. Compagnie, die Hudsoncompagnie, die Eastlandcompagnie, die afrikanische und die engl. Heringsfischereigesellschaft. – Der Ursprung L.'s fällt in die frühesten Zeiten, indem schon die Römer dasselbe als einen Hauptsitz des Handels von Britannien kannten. Später war die Stadt die Residenz der Könige von Essex und Alfred der Große machte sie gegen Ende des 9. Jahrh. zur Hauptstadt von ganz England. Wilhelm der Eroberer bestätigte 1067 schriftlich die ihr von Alfred ertheilten Freiheiten. Unter der Königin Elisabeth bestand L. nur erst noch aus der jetzigen City. Weder die Pest, welche 1665 nach Einigen 160,000 Menschen hinraffte, noch die große Feuersbrunst im folgenden Jahre hinderten auf die Dauer das weitere Emporblühen dieser gewaltigen Stadt.
Brockhaus-1911: London [2] · New London · London Purple · East London · London
DamenConvLex-1834: Saison in Paris und London · London
Meyers-1905: London [2] · London-clay · New London · East London · Illustrated London News · London [1]
Pierer-1857: New London · Ost-London · London [2] · London Grove · London [1]
Roell-1912: London, Brighton and South Coast Railway · London and South Western Railway · London and North Western Railway
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