Präjudiz

[554] Präjudiz heißt so viel wie Vorurtheil oder vorgefaßte Meinung, im juristischen Sinne nennt man Präjudizien die Urtheilssprüche und Ansichten eines Gerichtshofes, aus welchen sich für die Entscheidungen desselben bei spätern Rechtsfällen Folgerungen ziehen lassen. Obschon ein Gerichtshof seine Ansichten ändern kann und nicht verpflichtet ist, bei einer spätern bei ihm zur Verhandlung kommenden Rechtssache denselben Principien zu folgen, welche ihn bei einem gleichen Rechtsfalle früher leiteten, so bleibt er doch in der Regel seinen frühern Entscheidungen treu und es ist daher für die Parteien von großer Wichtigkeit, die Präjudizien desselben zu kennen. Dies hat auch oft die Veranlassung zur Herausgabe und Veröffentlichung derselben in juristischen Werken gegeben. In einer andern Bedeutung kommt das Wort praejudicium im Proceß vor, wo es so viel heißt als Verwarnung oder Androhung eines Nachtheils und sehr häufig den Citationen beigefügt wird. Es wird z.B. Jemand zur Geltendmachung seiner Ansprüche sub praejudicio praeclusionis (bei Strafe der Ausschließung) oder zum Beweise einer Behauptung sub praejudicio perpetui silentii (unter dem Präjudiz des ewigen Stillschweigens) aufgefodert. In diesem Sinne spricht man auch von präjudicirlichen (nachtheiligen) Handlungen oder Unterlassungen und präjudiciren heißt dann auch Schaden bringen. So wird namentlich jede Vernachlässigung und Versäumniß, welche Jemand bei den Förmlichkeiten sich hat zu Schulden kommen lassen, die der Annahme und Einziehung eines Wechsels vorzuschreiben sind, ein Präjudiz, wer sie begangen, aber präjudizirt genannt und die nachtheilige Folge ist, daß er sich, wird jener Wechsel nicht bezahlt, deshalb nicht an die frühern Inhaber oder den Aussteller halten kann.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 554.
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