Vorurtheil

[628] Vorurtheil, eine vorgefaßte, nicht von Erfahrungen und von keinen oder doch nur unhaltbaren Gründen unterstützte Meinung von irgend etwas, also ein Irrthum, welcher dadurch entstand, daß ohne oder vor der Prüfung geurtheilt wurde. Erziehung, eingebildetes oder wirkliches persönliches Interesse, sowie zur Gewohnheit gewordene Kurzsichtigkeit und das Vertrauen auf Behauptungen, welche von Alters her oder von Andern für wahr gehalten werden, tragen zur Verbreitung von Vorurtheilen und zum hartnäckigen Festhalten daran, unter allen Völkern und Ständen fortwährend das Meiste bei. Sie sind aber nirgend zahlreicher und gefährlicher als im Gebiete des Übersinnlichen, wo die Unterlage der Erfahrung ganz abgeht und nur zu leicht der Fanatismus sich zu ihnen gesellt. Bekämpfung der Vorurtheile ist insbesondere eine Aufgabe der Philosophie, aber auch die Vernunft schon fodert von Jedem, sich von ihnen möglichst frei zu machen und zu erhalten; gegen die Vorurtheile Anderer soll man dagegen mit Vorsicht und Schonung zu Werke gehen und schon aus gewöhnlicher Lebensklugheit die unschädlichen ertragen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 628.
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