Revolution

[685] Revolution. Dieser Ausdruck bedeutet Zurück- oder Umwälzung und wird in sehr verschiedenen Beziehungen gebraucht. So versteht man darunter in der Astronomie die Bewegung eines kleinern Weltkörpers um einen größern, wie z.B. des Mondes um die Erde und die der Erde und anderer Gestirne um die Sonne, wogegen mit Rotation nur die Umdrehung um ihre Achse bezeichnet wird. In der Geologie (s.d.) gibt man solchen Vorgängen auf und im Innern der Erde den Namen von Revolutionen, durch welche bedeutende Umgestaltungen auf derselben hervorgebracht werden, wie durch heftige Erdbeben und große Wasserfluten. Zwar sind auch diese außerordentlichen und auf das bisher Bestandene gewaltsam zerstörend einwirkenden Vorgänge in den allgemeinen Naturgesetzen begründet, allein sie erscheinen gleichwol, als widerstrebten sie denselben. In diesem Sinne hat man daher den Ausdruck Revolution auch auf plötzliche Veränderungen menschlicher Verhältnisse, z.B. wenn Einzelne unerwartet und ohne offen vorliegende Gründe ihre Denkungsart und Gesinnung wechseln, insbesondere aber auf plötzliche Umwälzungen in den Verfassungen und politischen Verhältnissen von Staaten angewendet, denn eine allmälige Umgestaltung derselben würde blos den Namen einer Reform (s.d.) verdienen. Die letztere, d.h. die Einführung von solchen Veränderungen in der Verwaltung und Verfassung der Staaten, wie sie den Bedürfnissen und Zuständen entsprechen, welche sich beim Fortschreiten der Civilisation herausstellen, ist zugleich das vernünftige Vorbeugungsmittel wider alle gewaltsamen und plötzlichen Umkehrungen der bisher bestandenen bürgerlichen Ordnung. Wo dagegen die billigen Foderungen einer in der allgemeinen Bildung fortgeschrittenen Zeit nur dem starren Festhalten am Veralteten begegnen und zu ihrer Unterdrückung, wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, noch dazu gewaltsame und durch Willkür ebenso beleidigende wie drückende Maßregeln ergriffen werden, die vielleicht sogar die Freiheit der Gewissen und Überzeugung zu fesseln suchen, kann es nicht anders kommen, als daß die Achtung vor den gewaltsam aufrecht erhaltenen Gesetzen und Einrichtungen schwinden muß, weil die weit überwiegende Mehrzahl die Überzeugung von ihrer Nützlichkeit längst verloren hat. Ohne Verabredung stimmt sie daher auch in dem Wunsche nach Umgestaltung überein und es bedarf dann nur geringfügiger Veranlassung, um sie auch zur That, d.h. zur gewaltsamen Abwehr der drückenden Verhältnisse zu vereinigen. Es ist das die gewöhnliche Entwickelung der von unten herauf, d.h. vom Volke begonnenen Revolutionen, denn es gibt in der Geschichte kein Beispiel, daß eine solche gegen eine wirklich weise und gute Regierung ausgebrochen wäre. Immer fiel derselben ein größerer oder geringerer Theil der Schuld zur Last, weil allerdings der Adel oder die Geistlichkeit oder beide vereint ebenfalls dieselbe häufig theilten, indem sie die Regierung an sich rissen oder dieselbe zu drückenden und zweckwidrigen Maßregeln verleiteten. Von oben oder von den Regenten und ihrer Familie ausgehende Revolutionen bezwecken entweder blos eine gewaltsame Veränderung der [685] Person des Regenten und werden dann Thronrevolutionen genannt, oder versuchen den Umsturz der bestehenden Verfassung auf derselben zuwiderlaufendem Wege. Sie wollen daher das Ungesetzliche und Willkürliche an die Stelle des Rechten und Gesetzlichen stellen, rufen als groben Misbrauch der Gewalt gewöhnlich ebenso gewaltsame Abwehr von Seiten des Volkes hervor und führen dadurch zum Bürgerkriege. Die Aufgabe der Staatskunst ist es, Revolutionen dadurch zu verhüten, daß sie niemals die denselben zum Grunde liegenden Bedingungen eintreten läßt. Übrigens kann auch vor Revolutionen aus Gründen der Klugheit und Gerechtigkeit nicht genug gewarnt werden, indem selbst die scheinbar am meisten gerechtfertigte doch mit vielen Verletzungen von Rechten verbunden ist und leicht durch mehr oder weniger anhaltende Zerrüttung oder wol gar den Ausbruch eines Bürgerkriegs, für lange Jahre hinaus ihre Nachtheile schwer empfinden macht. In der Geschichte der neuern Zeit waren die folgenreichsten politischen Revolutionen: die engl. Revolution von 1688 (s. Großbritannien); die nord, amerik. Revolution von 1775 (s. Vereinigte Staaten von Nordamerika); die franz. Revolution von 1789 (s. Frankreich) und die franz. Julirevolution (s. Julitage) von 1830. Andere Staatsumwälzungen fanden zum Theil mehrmals in verschiedenen ital. Ländern, in Spanien, Portugal, Sardinien, Griechenland, Polen, Belgien, sowie in mehren südamerik. Staaten statt. Als revolutionnair werden Meinungen und Grundsätze bezeichnet, welche für den gewaltsamen Umsturz bestehender Verhältnisse im öffentlichen Leben sich aussprechen und wer denselben anhängt, wird ein Revolutionnair genannt; doch sind beide Bezeichnungen häufig mit großem Unrecht auf alle Vorschläge zu Verbesserungen im Staate und Diejenigen angewendet worden, von denen dieselben ausgingen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 685-686.
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