Sonne

[220] Sonne, der prachtvolle Fixstern, um welchen sich die Erde und alle uns sichtbaren Wandelsterne (Planeten und Kometen) herumbewegen, welcher der Erde und allen andern um ihn sich bewegenden Himmelskörpern Licht und Wärme mittheilt. Die Alten kannten die Sonne noch nicht als die Beherrscherin des ganzen Planetensystems, zu welchem auch die Erde gehört, aber sie erblickten in ihr die Quelle des Lichts und der Wärme, welche die Grundbedingungen alles Lebens sind, und so verehrten sie dieselbe als Bild der Gottheit, ja als Gottheit selbst. So wurde die Sonne als Osiris in Ägypten, als Baal in Chaldäa, als Adonis in Phönizien, als Mithras in Persien, als Apollon in Griechenland, als Sol bei den Römern verehrt. Den alten Astronomen galt die Sonne für einen Planeten, während sie von der Erde, dem äußern Schein gemäß, annahmen, daß sie unwandelbar feststehe. Zwar finden sich auch schon im Alterthume Spuren einer richtigern Erkenntniß von dem Verhältnisse der Ede zur Sonne, aber auf wissenschaftliche Weise dargethan wurde dasselbe erst durch Nicol. Kopernikus und die ihm nachfolgenden großen Astronomen seit der Mitte des 16. Jahrh.

Die Bahnen. welche Planeten und Kometen beschreiben, sind bekanntlich Ellipsen (s.d.), und in einem allen diesen Ellipsen gemeinschaftlichen Brennpunkte steht die Sonne. Die Kraft, mit welcher die Sonne alle übrigen Planeten und Kometen beherrscht, ist die allgemeine Schwere, die Äußerung der Massenanziehung. Die Sonne hat aber eine 355,000 Mal größere Masse als die Erde, und eine 700 Mal größere als alle übrigen Körper des Sonnensystems zusammengenommen. Noch mehr zeichnet sie sich durch ihre Größe von den Planeten aus, indem sie einen Durchmesser von 188,000 deutschen Meilen hat, eine Oberfläche von 111,000 Millionen Quadratmeilen und ein Volumen von 3500 Billionen Cubikmeilen. Man würde aus dem Sonnenkörper 1,300,000 Kugeln von der Größe des Erdkörpers machen können; ja alle Planetenkugeln zusammengenommen geben noch nicht den 560. Theil der Sonnenkugel in Bezug auf den Raum. Man kann sich eine noch deutlichere Vorstellung von der Größe der Sonne machen, wenn man bedenkt, daß, während ein Reisender, welcher täglich 10 deutsche Meilen zurücklegte, 540 Tage brauchte, um einmal um die Erde herum zu kommen, ein solcher zur Umreifung der Sonne 59,160 Tage, d.h. über 160 Jahre nöthig hätte. Dagegen ist die Masse der Erde viermal so dicht als die der Sonne, vorausgesetzt, daß man die Masse beider Körper als überall gleich dicht annimmt, welches jedoch bei der Sonne so wenig wie bei der Erde der Fall sein kann. Die Schwere, wie sie bei jedem einzelnen Weltkörper auftritt, hängt von der Größe seiner Masse ab und äußert sich in der Geschwindigkeit, mit welcher Körper an seiner Oberfläche fallen. Auf der Erde durchlaufen frei fallende Körper in der ersten Secunde 15 par. Fuß, dagegen durchlaufen sie an der Oberfläche der Sonne in derselben Zeit 430 Fuß, oder was dasselbe: jeder auf der Erde 100 Pf. wiegende Körper hat auf der Sonne ein Gewicht von fast 30 Centnern. Von der Beschaffenheit der Oberfläche der Sonne wissen wir nur sehr wenig, weil auch unsere besten Fernröhre nicht bis zu derselben hinreichen. Nach dem äußern Anblick scheint indeß die Sonne in einem fortwährenden großen Verbrennungsprocesse begriffen zu sein, dem Licht und Wärme ihr Dasein verdanken. Schon daraus aber, daß die Wärme nicht zu, sondern abnimmt, je höher wir uns über die Oberfläche des Erdkörpers erheben, folgt, daß die Wärme nicht direct von der Sonne ausgeht. Vielmehr ist es ziemlich gewiß, daß die Wärme erst durch Einwirkung der Sonnenstrahlen innerhalb der Planetenatmosphäre erzeugt wird, sowie, daß das Licht nicht eine, wenn auch noch so seine Masse ist, welche sich etwa von der Sonnenmasse losreißt und ausbreitet, sondern nur die Erscheinung eines erzitternden, den Raum ausfüllenden Äthers ist. Alles, was man auf der Oberfläche der Sonne hat beobachten können, sind die sogenannten Sonnenflecken und die Sonnen fackeln. Jene sind unregelmäßige schwarze Flecken, welche mit einem aschgrauen Rande umgeben sind und sowol ihre Gestalt als den Ort, an dem sie auftreten, verändern. Es scheint, als wenn die ganze Sonne von einem Lichtmeer umflossen sei, welches sich zuweilen theilte und dann den dunkeln Sonnenkörper durchblicken ließe. Im Allgemeinen hat man aber beobachtet, daß sich diese Flecken von dem Westrande der Sonne nach dem Ostrande derselben, und zwar alle mit ziemlich gleicher Geschwindigkeit bewegen, und hieraus hat man denn geschlossen, daß sich die Sonne um ihre Axe von W. nach O. herum bewege. Diese Flecken sind zuweilen sehr groß, ja man hat Beispiele, daß durch sie auf längere Zeit eine theilweise Verdunkelung des Sonnenlichts stattfand. Die Sonnenfackeln dagegen sind hellstreifige Stellen der Sonne, welche man immer nur in der Nähe der Flecken erblickt. Aus der Beobachtung der Sonnenflecken hat man berechnet, daß sich die Sonne in 25 Tagen und nahe 3 Stunden einmal um ihre Axe herumdrehe. Einen Einfluß der Sonnenflecken und Fackeln auf die Witterung, welchen man behauptet, hat man wissenschaftlich nicht nachweisen können.

Die Sonne ist von der Erde 20,665,838 geogr. Meilen entfernt, von welcher ungeheuern Entfernung man einigermaßen eine Vorstellung erhält, wenn man bedenkt, daß eine Kanonenkugel, die fortwährend 600 F. in jeder Secunde zurücklegte, doch 26 Jahre fliegen müßte, um jenen Abstand zu durchmessen. Indeß bleibt sich dieser Abstand nicht fortwährend gleich, sondern da die Erde in einer Ellipse um die Sonne sich bewegt, in deren einem Brennpunkte die Sonne steht, so ist jene Entfernung bald größer, bald kleiner. Der nächste und der fernste Punkt in der Bahn der Erde, wie jedes andern Planeten, von der Sonne werden zusammen die Apsiden genannt, und zwar der nächste Perihelium oder Sonnennähe, der fernste Aphelium oder Sonnenferne. Merkwürdig ist, daß innerhalb der Bahnen selbst diese Punkte nicht feststehen, sondern sich verändern, d.h. daß die Bahnen selbst nur in Bezug auf ihren Brennpunkt, die Sonne, feststehen. Indem sich nun die Erde innerhalb ihrer Bahn um die Sonne herum bewegt, hat es für die Bewohner der Erde vielmehr den Anschein, als stehe die Erde fest und bewege sich die Sonne innerhalb der Fixsterne. Wenn das Sonnenlicht nicht das aller übrigen Sterne verdunkelte, so würden wir die Sonne am Tage unter den übrigen Sternen des Himmels erblicken, und es ist dann natürlich, daß, wenn sich die Erde um die feststehende Sonne herumbewegt, diese im Laufe einer solchen Verwandlung, d.h. im Laufe eines Jahres, vor andern Fixsternen erscheinen muß, bis sie endlich wieder vor [220] denjenigen steht, vor welchen man sie vor 365 Tagen beobachtete. Wir sehen nun allerdings der Helligkeit des Sonnenlichts wegen diejenigen Sterne nicht, vor welchen sie eben steht, aber wir sehen jedesmal in der Nacht diejenigen Sterne, welche für uns am Himmel jenen grade gegenüberstehen. Die scheinbare Bahn nun, welche die Sonne im Laufe eines Jahres unter den Fixsternen des Himmels zurücklegt, heißt die Ekliptik oder Sonnenbahn. Die Ebene dieser Bahn ist gegen die Ebene des Äquators geneigt, oder, was Dasselbe, die Erde steht mit derjenigen Linie, um welche sie sich täglich umdreht, mit ihrer Achse nicht senkrecht auf der Bahn, in welcher sie sich um die Sonne bewegt. Der Winkel nun, welchen die Ekliptik mit dem Äquator macht, heißt die Schiefe der Ekliptik und beträgt ungefähr 23°28′. Von ihr hängt der Wechsel der Jahreszeiten, die Verschiedenheit der Klimate und die Ungleichheit der Tageslängen ab, weil sie die Ursache ist, daß die Erde eine solche Stellung hat, daß ihre verschiedenen Theile den Strahlen derselben ungleich und im Verlauf eines Jahres auf verschiedene Art ausgesetzt sind. Fiele die Ekliptik mit dem Äquator zusammen, so würden Tag und Nacht für alle Orte der Erde stets gleich lang sein. Die Schiefe der Ekliptik ändert sich in sehr langen Zeiträumen innerhalb gewisser Grenzen, sodaß sie bald im Zunehmen, bald im Abnehmen begriffen ist; damit ändern sich dann zugleich die klimatischen Verhältnisse auf der Erde. Man kann sich die Ekliptik wie den Äquator in Gestalt eines größten Kreises, an der Himmelskugel gezogen, vorstellen. Dann schneiden sich diese beiden größten Kreise in zwei Punkten, welche die Nachtgleichen oder Äquinoctialpunkte heißen, weil, wenn die Sonne in, ihnen steht, welches am 22. März und 22. Sept. der Fall ist, Tag und Nacht einander gleich sind. Dagegen nennt man die Punkte der Ekliptik, in denen diese am weitesten von Äquator sich entfernt, die Sonnenwenden, Sonnenstillstands- oder Solstitialpunkte, denn sobald die Sonne sie am 21. Jun. und 21. Dec. erreicht hat, scheint sie sich gleichsam zu wenden. Die vier erwähnten Punkte stehen gleichweit voneinander ab, d.h. sind um 90° voneinander entfernt, wenn man sich die Ekliptik wie jeden Kreis, in 360 Grade getheilt, vorstellt. Eine ältere Eintheilung der Sonnenbahn, die daher auch Thierkreis oder Zodiakus genannt wird, geschieht nach zwölf innerhalb derselben liegenden Sternbildern, die man Himmelszeichen nennt und deren jedes 30° der Ekliptik umfaßt. Sie folgen vom Frühlingspunkte an nach Osten gerechnet, auf einander wie folgt, und werden mit den beistehenden Zeichen angedeutet:


Widder 20. März,

Stier 20. April,

Zwillinge 21. Mai,

Krebs 21. Juni,

Löwe 22. Juli,

Jungfrau 23. August,

Wage 23. September,

Skorpion 23. October,

Schütze 22. November,

Steinbock 21. December,

Wassermann 19. Januar,

Fische 18. Februar.


An dem jedem Zeichen beigefügten Monatstage tritt die Sonne in dasselbe ein. Die Durchschnittspunkte mit dem Äquator stehen nicht fest, sondern rücken in jedem Jahrhunderte um fast 1 Grad 23 Minuten rückwärts, nichtsdestoweniger hat man seit den frühesten Zeiten bis jetzt die Zeichen wie angegeben gerechnet, wovon die Folge ist, daß die Sonne in der Wirklichkeit jetzt nie in demjenigen Zeichen steht, welches astronomisch angegeben ist, oder es treffen die Sternbilder und die Zeichen nicht mehr zusammen, der Widder steht an der Stelle des zweiten Bildes, der Stier an der Stelle des dritten u.s.f. Die angegebene regelmäßige Veränderung der Durchschnittspunkte der Ekliptik mit dem Äquator wird das Vorrücken der Nachtgleichen genannt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 220-221.
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