Talent

[355] Talent hieß bei den Griechen eine große Rechnungsmünze, welche z.B. in Athen an 1350 Thlr. Werth hatte, sowie ein großes Gewicht, nahe an 54 Pfund. – In übertragener Bedeutung nennt man Talent eine hervorragende Fähigkeit für bestimmte geistige Verrichtungen, welche sich besonders als Geschicklichkeit, Leichtigkeit und Gewandtheit darstellt. Die Talente sind ebenso verschieden, als es die Gebiete sind, in denen sich die geistige Thätigkeit des Menschen geltend macht. Das Talent ist verschieden vom Genie und ihm untergeordnet, indem sich jenes (s. Genius) auf die Auffassung aller Einzelheiten von einem Standpunkte bezieht, auf welchem sie sich selbst als Glieder eines Ganzen darstellen, während das Talent beim Einzelnen als solchem stehen bleibt. Das Genie ist dem wahren Künstler unentbehrlich, indem es ihm die Macht gibt, ein Werk zu schaffen, welches sich in seinen Theilen oder Gliedern als harmonisches Ganzes darstellt, während er auch das Talent in der Ausführung der einzelnen Theile nicht entbehren kann, wenn diese wirklich als Das erscheinen sollen, was ihre innerste Bedeutung ausmacht. Das Genie ohne Talent bringt es nur zur Symbolik, indem seine Werke ihren geistigen Inhalt nur andeuten, nicht ausdrücken; das Talent ohne Genie bringt es in der Kunst nur zur Nachahmung, sodaß seine Werke nur den äußern Schein von Kunstwerken haben, vor dem prüfenden Auge des Geistes aber als in sich nichtig erscheinen, weil ihnen die geistige Innerlichkeit, die auch als Gedanke zu fassende Bedeutung, abgeht.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 355.
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