[595] Versailles, Hauptstadt des franz. Departements der Seine und Oise, gehört zu den am besten gebauten Städten in Frankreich und liegt in einer weiten Ebene vier Stunden westl. von Paris, mit welchem es jetzt durch zwei Eisenbahnen in Verbindung steht. König Ludwig XIII. kaufte 1627 V. als ein unbedeutendes Dorf und ließ ein Jagdschloß dort aufführen, welches Ludwig XIV. zuerst verschönerte, dann aber mit einem Aufwande von 1400 Mill. Francs in jenes prächtige Residenzschloß umwandelte, welches mit seinen Kunstwerken, Gartenanlagen und Wasserkünsten lange Zeit das Vorbild für Europa blieb. Hatten vorher schon einzelne Höflinge sich in der Nähe des bloßen Jagdschlosses Landhäuser erbaut, so drängten sie sich jetzt, Wohnungen in dem 1674 zur königl. Residenz erhobenen V. aufzuführen, welches bei Ludwig XIV. Tode zu einer Stadt mit 100,000 Einw. angewachsen war. Diese nur an die Gegenwart des Hofs gebundene Blüte drohte jedoch mit ebenso raschem Verfall während der Minderjährigkeit Ludwig XV., da der Regent, Herzog von Orleans, in Paris wohnte. Allein mit seinem Regierungsantritte verlegte Ludwig XV. auch 1723 die Residenz wieder nach V., wo sie blieb, bis am 6. Oct. 1789 Ludwig XVI. durch das empörte pariser Volk gewaltsam nach Paris entführt wurde. Von den beiden letzten Königen waren Stadt und Schloß noch vielfach verschönert worden, in Folge der Revolution aber wurden sie theilweise der Zerstörung und einem so plötzlichen Verfalle preisgegeben, daß V. kaum 25,000 Einw. behielt. Das Schloß ward theilweise als Invalidenhaus, zur Verwahrung wissenschaftlicher Sammlungen und zu einer Gewehrfabrik benutzt und sollte nach der Rückkehr der Bourbons hergestellt werden. Es geschah indessen wenig mehr dafür, als nöthig war, um es vor weiterm Verfall zu schützen, und erst Ludwig Philipp hat es seit 1833 im alten Style herstellen und zu einem großartigen historischen Nationalmuseum einrichten lassen, welches in Bildsäulen und Gemälden alle großen Männer und merkwürdigen Personen und Ereignisse der franz. Geschichte zur Anschauung bringen soll, wodurch auch die Stadt, deren Bevölkerung jetzt 35,000 Einw. beträgt, sich wieder anfängt zu heben. Von den Gartenanlagen sind die des mit Mauern und eisernen Gittern umschlossenen kleinen Parks von dem berühmten Lenôtre, mit unabsehbaren grünen Wänden, großen Rasenplätzen und Wasserbecken immer noch imposant. Die Wasserkünste werden durch Leitungen aus der Seine von [595] dem zwei Stunden weit entfernten Marly aus gespeist, da die Gegend von V. wasserarm ist. Der ehemalige große Park schloß mehre Ortschaften und Luftschlösser mit ein und soll gegen 20 Stunden im Umfange gehabt haben. Gegen die Stadt umfaßt das Schloß einen großen, durch ein eisernes Gitter vom sogenannten Waffenplatze geschiedenen Hofraum, seine schönste Façade aber ist dem Park zugewendet. Von den innern Räumen wird vorzüglich die große Galerie mit Gemälden von Lebrun bewundert, die mit den Sälen des Friedens und des Kriegs an beiden Seiten die ganze Länge des Hauptgebäudes einnimmt und 220 F. lang, 30 F. breit, 40 F. hoch durch 17 ungeheure Bogenfenster beleuchtet ist, denen ebenso viele bogenförmige Spiegel entsprechen; der Hercules- und der Opernsaal, die außerordentlich prächtige Kapelle, mehre Staatszimmer und die Wohnzimmer Ludwig XIV. sind nicht minder merkwürdig. Im Garten ist noch die herrliche Orangerie und eine Menagerie zu bemerken, und dicht hinter demselben liegen die Luftschlösser Groß-und Klein-Trianon, deren erstes Ludwig XIV., das andere Ludwig XV. aufführen, und Maria Antoinette (s.d.), deren Lieblingsaufenthalt es war, verschönern ließ.