Eisenerzeugung

[493] Eisenerzeugung, die Gewinnung des Eisens (s.d.) aus den Erzen. Nur geringe Mengen Eisen werden direkt in schmiedbarem Zustand durch Luppenfrischerei als Rennstahl gewonnen, die Hauptmenge der Erze wird in Hochöfen auf Roheisen verschmolzen. Dazu erfahren sie zuerst eine mechan. Aufbereitung durch Sortieren und Herstellen der richtigen Korngröße und eine chemische durch Rösten, d.h. Erhitzen unter Luftzutritt in Röstmeilern oder in Röststadeln (von Mauern umgebenen, rechteckigen, oben offnen Räumen), oder in Röstöfen (eine Art Schachtöfen); dann werden sie mit Koks (Holzkohle, seltener Steinkohle) gemischt im Hochofen reduziert. Der Hochofen ist ein Schachtofen von 18-20 m Höhe (bei Holzkohlenbetrieb nur 10 m), aus feuerfesten Steinen gemauert, durch eiserne Bänder und Träger versichert; auf dem Boden, in dem Herd, findet sich ein Abstichloch für das verschmolzene Metall, etwas höher eins für die Schlacken, die Schlackenform; der untere zylindrische Teil, das Gestell, ist von den Öffnungen für die Luft-(Wind-)Zufuhr durchbrochen, von außen wird es gekühlt; in dem darüber befindlichen trichterförmigem Teil (der Rast) findet hauptsächlich die Schmelzung statt, in dem darauf ruhenden kegelförmigen (Schacht) die Reduktion, die Anwärmung und Trocknung des Materials; der oberste Teil, die Gicht, trägt einen Fülltrichter und das Ableitungsrohr für die Gichtgase, die wegen ihres Kohlenoxydgehaltes zum Heizen, bes. der Apparate für die Erhitzung des Gebläsewindes, ferner zum Betrieb von Gasmotoren verwendet werden. Die zum Prozeß nötige Luft durchstreicht die Gänge des Winderhitzers (Cowper, Withwell) und tritt mit einer Temperatur von 800-1000° in das Gestell ein. Die Beschickung des Ofens setzt sich zusammen aus einem Gemisch (Gattierung, Möllerung) von Eisenerzen und eisenreichen Schlacken mit Koks oder Holzkohle und Zuschlägen, die den Zweck haben, die erdigen Bestandteile [493] der Erze und die Asche der Brennmaterialien in ein leichtschmelzendes Glas, die Schlacke, zu verwandeln. Je nach dem größern oder geringern Kieselsäuregehalt der Erze verwendet man Kalkstein oder Sand und Ton. Die Schlacke schmilzt zusammen, bewirkt das Zusammenfließen der Eisenteile und schützt sie vor Oxydation durch den Gebläsewind; in dem Schmelzraum nimmt das flüssige Eisen Kohlenstoff auf und sammelt sich auf dem Herd, darüber die spezifisch leichtere Schlacke, die kontinuierlich durch die Schlackenform abfließt. Hat sich hinreichend Eisen gebildet, so wird der Herd durch das Stichloch entleert (der Hochofen wird »abgestochen«) und das Eisen in Sandformen erkalten gelassen (Flossen, Masseln, Gänse oder Gänze). Schmiedbares Eisen wird durch partielle Entkohlung von Roheisen gewonnen, wobei gleichzeitig die schädlichen Beimengungen (bes. Schwefel, der Eisen rotbrüchig, und Phosphor, der es kaltbrüchig macht) entfernt werden sollen; sie erfolgt durch Behandlung heißen Eisens mit Luft (Frischprozeß) oder mit Eisenoxyd (Tempern). Die Frischarbeit wurde früher auf Herden (Herdfrischen) vorgenommen, jetzt in Flammöfen (Puddeln) oder in Konvertern. In den Flammöfen wird das Roheisen zum Schmelzen gebracht und durch überschüssige Luft Kohlenstoff, Mangan und Silizium verbrannt; der Arbeiter muß das immer zäher werdende Metall umrühren, bis die Entkohlung den gewünschten Grad erreicht hat; durch Hämmern und Walzen wird aus den Klumpen Puddeleisen (Luppen) die Hauptmenge der Schlacken herausgequetscht (Schweißeisen, -stahl). Die teure Handarbeit läßt sich für Massenfabrikation durch Maschinenkraft (rotierender Puddelofen) ersetzen; nicht aber für feine Sorten. Die vollständige Einheitlichkeit wird erst durch Umschmelzen unter Ausschluß von Luft in Tiegeln erreicht (Tiegelgußstahl für feinste Stahlsorten zu Instrumenten, Werkzeugen, Bandagen, Geschützrohren). Zum Windfrischen (Bessemern) wird geschmolzenes Roheisen in birnenförmige, kippbare, mit feuerfester Masse gefütterte Apparate (Konverter) einfließen gelassen und durch feine Öffnungen heiße Luft eingeblasen, die Kohlenstoff, Mangan, Silizium verbrennen läßt und durch die dabei erzeugte hohe Temperatur die Masse flüssig erhält; die Entkohlung dauert etwa 20 Minuten; der gewünschte Kohlungsgrad wird dann durch Zugabe kohlenstoffreichen Spiegeleisens erzeugt und die geschmolzene Masse durch Kippen der Birne in die Gießpfanne entleert (Flußeisen, Flußstahl).Der zu Phosphorsäure verbrennende Phosphor des Roheisens wird durch glühendes Eisen wieder reduziert und bleibt schließlich darin, wenn die Phosphorsäure nicht (nach Thomas-Gilchrist) durch eine basische Ausfütterung der Birne (Mangansit oder Dolomit), gebunden und dem Eisen entzogen wird (basisches Flußeisen, -stahl). Die phosphorreiche Thomasschlacke dient der Landwirtschaft als wertvolles Düngemittel. Die Entkohlung des Roheisens durch Eisenoxyd erfolgt bei Gußstücken dadurch, daß man sie in Roteisenstein verpackt glüht, wobei die äußern Schichten kohlenstoffarm und somit schmiedbar werden (schmiedbarer Guß) oder durch Verschmelzen mit natürlichem oder künstlichem Eisenoxyd (Uchatinsstahl). Die Gewinnung von Stahl geschieht entweder nach einem der eben beschriebenen Verfahren, die im passenden Augenblick unterbrochen werden, oder aus weit entkohltem (Schmiede-) Eisen durch Kohlung; diese geschieht (nach Martin) in einem nach dem Siemensschen Regenerativsystem gebauten Herdofen (Martinofen) durch Verschmelzen von Schmiedeeisen (Abfälle aller Art) mit Roheisen (Martinstahl, Flußstahl). Durch ein basisches Herdfutter läßt sich auch hier der Phosphorgehalt des Roheisens entfernen; ferner durch Einpacken von Schmiedeeisenstangen in Holzkohlepulver und Glühen (Zementstahl). Schweißeisen wird vor der Formgebung durch Zängen (d.h. Hämmern oder Pressen in Quetschwerken) von der Schlacke befreit, Flußeisen durch dieselben Manipulationen blasenfrei gemacht (»gedichtet«). Die innere Struktur des schmiedbaren Eisens wird durch Raffinieren (Zusammenschweißen mehrerer Flachstäbe und Auswalzen derselben) verbessert; so behandelter Stahl heißt Gärbstahl (von Garbe, d.i. Paket). Die Erzeugung von Schweißeisen nimmt andauernd ab, die von Flußeisen (Bessemer, Thomas, Martin) zu.

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 493-494.
Lizenz:
Faksimiles:
493 | 494
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika