[544] Evangelĭum (grch.), frohe Botschaft, bes. die von der Herbeikunft des Himmelreichs oder der Versöhnung durch Christus; dann die vier neutestamentlichen Schriften über das Leben Jesu (nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes), die gegen Ende des 2. Jahrh. aus der bereits vorhandenen großen Literatur über diesen Gegenstand herausgehoben und für authentisch und kanonisch erklärt wurden. Erst neuerdings wurde das gegenseitige Verhältnis dieser sich vielfach ähnlichen, vielfach auch widersprechenden Darstellungen wissenschaftlich erforscht. Die drei ersten, einander bes. ähnlich, wurden gegenüber dem Johannes-E. als die synoptischen (»zusammenzuschauenden«) Evangelien unterschieden. Zuerst leitete man diese aus einem Ur-E. ab (Eichhorn, 1804-10), dann aus mündlichen Traditionen (Gieseler) und der mythenbildenden Überlieferung (Strauß, 1835), wobei einige Markus als den ersten Aufzeichner (Wilke, 1838), ja Erdichter (Br. Bauer, 1841) hinstellten. F. Chr. Baur machte zuerst auf den für die verschiedenen Darstellungen bestimmenden Einfluß der urchristl. dogmatischen Richtungen aufmerksam. Die eigentliche Quellenuntersuchung aber suchte als die unsern E. vorausgegangenen und von ihnen benutzten Schriften eine Redesammlung des Matthäus und eine erzählende Darstellung des Markus festzustellen (Weiße, 1838, 1856; Holtzmann, 1863; B. Weiß, 1872, 1876). Die Ungeschichtlichkeit des 4. E.s. ist am wenigsten streitig. Neuerdings wurde eine sehr alte syr. Übersetzung der 4 Evangelisten auf dem Sinaikloster entdeckt (gedruckt Cambridge 1894), die vielfach einen ältern Text verrät als die jetzige griech. Form unserer E. (Merx, »Die 4 kanonischen Evangelien nach ihrem ältesten bekannten Text«, 1897 fg.). – Vgl. die Einleitungen zum N. T. von Holtzmann (1892) und Jülicher (1901). Kommentare von Weiß (1897-1902), Holtzmann (1892 u.ö.). – Im weitern Sinne ist E. der Gesamtinhalt der im N. T. enthaltenen Heilslehre; im Gottesdienst der verlesene Abschnitt aus der evang. Geschichte.