Sizilien, Königreich

[712] Sizilien, Königreich, Königreich beider, bis 1860 selbständiger Staat, umfaßte den südl. Teil Italiens und die Insel S., 114.558 qkm, (1861) 9.283.686 E. Süditalien, seit dem 8. Jahrh. von den Griechen kolonisiert (Großgriechenland), wurde 272 v. Chr. von den Römern dem ital. Bundesstaat einverleibt, war nach der Völkerwanderung lange Kampfplatz der Byzantiner, Langobarden und Sarazenen, bis sich seit 1042 die Normannen hier festsetzten. Robert Guiscard (s.d.), 1056-85, eroberte ganz Unteritalien und nannte sich Herzog von Apulien; sein Neffe, Roger II. (s.d.), bereits im Besitz der Insel S., ward 1127 auch in Unteritalien als Herzog anerkannt und 1130 zum König von Neapel und S. gekrönt. Nach dem Aussterben des normann. Königsstammes 1189 erbten das Land die Hohenstaufen, denen es 1266 Karl von Anjou entriß. Die Anjous verloren 1282 durch die Sizilianische Vesper die Insel S. an Aragonien, dessen König, Alfons V., 1442 auch den festländischen Teil der Monarchie (Königr. Neapel) eroberte und somit das alte Königreich beider S. wiederherstellte. Dasselbe ward 1458 abermals geteilt: Neapel erhielt sein natürlicher Sohn Ferdinand I., S. und Aragonien sein Bruder Johann II., bis es des letztern Sohn, Ferdinand der Katholische, 1505 wieder vereinigte. Seitdem wurde das Königreich durch span. Vizekönige regiert. 1713 fiel Neapel an Österreich, S. an Viktor Amadeus II. von Savoyen; ersteres erhielt 1720 auch S., indem es Sardinien dafür abtrat, mußte aber im Wiener Frieden 1738 das wiedervereinigte Königreich beider S. als eine Sekundogenitur des span. Hauses Bourbon an den Infanten Don Carlos (Karl III.) überlassen. Dessen Sohn, Ferdinand I. (1759-1825), wurde 1798-99 und nochmals 1806-15 von den Franzosen aus den festländischen Besitzungen vertrieben, die 1799 in die Parthenopäische Republik verwandelt, 1806 von Napoleon I. an Joseph Bonaparte, 1808 an Murat als Königreich überlassen wurde. Die infolge der absolutistischen Regierungsweise ausgebrochenen innern Unruhen, suchte Ferdinands Sohn, Franz I. (1825-30), durch eine beschränkte Amnestie zu beschwichtigen. Sie steigerten sich aber unter dessen Sohn, Ferdinand II. (1830-59), zu blutigen Aufständen, die bes. gefährlich 1848-49 auf der Insel S. wurden. Sein Sohn Franz II. wurde 1860 von Garibaldi vertrieben und mußte 13. Febr. 1861 in Gaëta kapitulieren. Unterdessen hatte eine Volksabstimmung vom 21. Okt. 1860 die Einverleibung in das Königr. Italien (s.d.) verlangt, von dem S. seitdem einen Bestandteil bildet. – Vgl. Giannone (ital., 4 Bde., 1824 u.ö.), Orloff (deutsch, 2 Bde., 1821), Colletta (ital., 2 Bde., 1835; deutsch 1850), Reuchlin (1862), di Sino (ital., 1863 fg.), Schack (2 Bde., 1890), de Cesare (1900).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 712.
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