Sizilien

[508] Sizilien (ital. und lat. Sicilia; hierzu Karte »Sizilien«), ital. Insel und Landschaft (compartimento), die größte, fruchtbarste und bevölkertste Insel des Mittelländischen Meeres, zwischen 12°25'–15°39' östl. L. und 36°39'–38°18' nördl. Br. gelegen, hat die Gestalt eines Dreiecks, dessen Spitzen Punta di Faro im NO., Kap Boeo im W. und Kap Passero im Süden bilden, eine Küstenentwickelung von 1115 km und einen Flächenraum von 25,461, mit den umliegenden kleinen Inseln von 25,738 qkm (467,5 QM.); größte Länge 288, größte Breite 188 km. Die Nordküste wird vom Tyrrhenischen, die Ostküste vom Ionischen und die Südküste vom Sizilischen (Afrikanischen) Meer bespült. Die Meerenge von Messina, an ihrer schmälsten Stelle nur 3,15 km breit, trennt S. vom italienischen Festland (Halbinsel Kalabrien).

[Physische Verhältnisse.] S. ist durchaus Gebirgsland und stellt sich als eine an den Rändern, namentlich im N., etwas gehobene Platte dar, die sich sanft zur Südküste abdacht und eine mittlere Höhe von 600–700 m hat. Die höchste Erhebung der Insel ist der riesige Vulkankegel des Ätna (3279 m, s. d.), der sich in einem ehemals in die Ostküste einschneidenden Golf, der noch heute in der Ebene von Catania erkennbar ist, seit der Tertiärzeit aufgebaut hat. Im N. wird die Insel von der Meerenge von Messina an bis weit nach W. hin von einer Gebirgskette durchzogen, die als eine Fortsetzung der Apenninen zu betrachten ist. Sie beginnt mit dem aus Gneis, kristallinischen Schiefern und Granit bestehenden und von jungtertiären Bildungen umschlossenen, von Messina nach SW. ziehenden Peloritanischen Gebirge. Beim Monte Tre Fontane (1374 m) wendet sich das Gebirge unter dem Namen Monti Nebrodici nach W., ist nun ganz aus kompaktem Kalk- und Sandstein der Jura- und Kreideformation zusammengesetzt und gipfelt im Monte Sori (1846 m). Der höchste Teil dieses Kettengebirges liegt im W. vor der durch den Fiume Torto gebildeten Einsenkung; er führt die Bezeichnung Le Madonie und erhebt sich im Pizzo dell' Antenna zu 1975 m, im Monte Salvatore zu 1910 m. Westlich von dieser Wasserscheide ist zwar der Charakter der Kette noch erkennbar, und es liegen die höchsten Erhebungen alle nahe der Nordküste (Monte San Calogero bei Termini, 1325 m, weiter ins Innere die Rocca Busambra, 1615 m); aber je weiter nach W., um so mehr löst sie sich in einzelne Berge und Berggruppen auf, bis der steil zum Meer bei Trapani hinabstürzende Monte San Giuliano (Eryx, 751 m) den westlichen Grenzpfeiler der Insel bildet. Das Innere, der Süden und Südwesten der Insel bestehen aus tertiären, versteinerungsreichen Kalken, aus Mergeln, Tonen und Gipsen, in denen sich die reichen Schwefel- und Steinsalzlager finden, von denen erstere zu den größten Schätzen Siziliens gehören. Im Innern der Insel erhebt sich der Monte Cammarata bis 1578 m. Der Südosten bildet ein selbständiges Gebirgssystem, das im Monte Lauro (985 m) gipfelt und hauptsächlich aus Basalt besteht, der teilweise mit pliocänen Kalktuffen bedeckt ist.

Die Flüsse der Insel, obwohl sehr zahlreich, sind meist wasserarm und versiegen im Sommer. Die größten sind der in die Bucht von Catania mündende Simeto (s. d.), an der südlichen Abdachung der Fiume Salso (Imera Meridionale), der Platani und der Belice, an der nördlichen der Fiume Grande (Imera Settentrionale), der San Leonardo und der Fiume Torto. Von Landseen ist nur die Lagune von Lentini zu nennen; der Lago dei Palici (Naftia), der in trockenen Sommern ganz verschwindet, ist eine Kohlensäuregasquelle Schlammvulkane (Schlammsprudel) finden sich mehrfach, insbes. nördlich von Girgenti (Maccalube). Herrlich ist das Klima von S., namentlich an der Nord- und Ostküste, weder überheiß im Sommer, noch kalt im Winter und fast immer gleichmäßig. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 15–19°, die des Winters 7–12°, des Sommers 21–26°; die maximalen, bei dem trockenen, belästigenden Schirokko (s. d.) eintretenden Augenblickstemperaturen sind 45°, die minimalen infolge starker Wärmestrahlung in klaren Winternächten bis -5°. Die Niederschläge, 650 mm für die ganze Insel, konzentrieren sich auf den Winter, die drei Sommermonate sind gänzlich regenlos. Schnee fällt selten. Die außerordentliche Verwüstung der Wälder hat auch das Klima beeinflußt, und stagnierende Gewässer erzeugen in einigen Gegenden Malaria. Es gibt 47,000 Hektar, die der Aufforstung bedürfen. Dennoch ist die Vegetation der Insel reich und üppig zu nennen, namentlich an der Nord- und Ostseite, während das Innere im Sommer, wo die ungeheuern, baumlosen Ebenen und Hügellandschaften, die im Winter von Weizenfeldern grünten, sonnverbrannt daliegen, der Steppe gleicht. Die wild wachsende Flora ist sehr reich, man zählt 3000 Arten. Es gedeihen die Zwergpalme, die Dattelpalme und[508] andre Palmenarten, Bananen, mehrere tropische Ficus-Arten, zahlreiche australische Pflanzen, Erythrinen, Magnolien u. dgl.

[Bevölkerung.] Die Bevölkerung Siziliens ist äußerst gemischt; zu dem alten sikulischen Element sind als Hauptbestandteile Griechen im O., später Araber und Berbern im W. hinzugekommen, beide Elemente sind noch in Körperbildung, Sprache und Sitte nachweisbar. Von geringerer Bedeutung sind die Einwanderungen von Lombarden und Griechisch redenden Albanesen gegen Ende des Mittelalters. Der sizilische Volksdialekt, der schon im 13. Jahrh. am Hofe Friedrichs II. zur Sprache der Poesie ausgebildet wurde, unterscheidet sich wesentlich von den Dialekten des Festlandes. Die Bevölkerung beträgt (1904) 3,646,754 und ist in rascher Zunahme begriffen (1881 betrug sie 2,927,901). Sie verteilt sich auf wenige Wohnplätze (357 Gemeinden, durchschnittlich zu 10,215 Einw.). Die Volksbildung war bis 1860 ganz in den Händen der Geistlichkeit und sehr vernachlässigt; jetzt bringen namentlich die großen Städte dem Schulwesen erhebliche Opfer. Doch steht die Volksbildung noch immer tiefer als irgendwo in Italien. 1901 gab es noch 75,23 Proz. Analphabeten. Günstiger ist der Sekundärunterricht in Lyzeen, Gymnasien, technischen Instituten und technischen Schulen bestellt. Universitäten bestehen drei: in Palermo, Catania und Messina. Auch für Pflege der Kunst ist gesorgt; das Museum von Palermo ist namentlich durch griechische Kunstwerke sowie durch mittelalterliche und neuere Werke der Skulptur und Malerei ausgezeichnet. Die Reste griechischer Tempel, Theater etc. in Selinunt, Girgenti, Segesta und Syrakus werden sorgsam erhalten, ebenso die mittelalterlichen der normannischen Zeit. Der Volkscharakter der Sizilianer zeigt Lebhaftigkeit und Beweglichkeit, nicht ohne Ernst und Gemessenheit, welche die natürliche Leidenschaftlichkeit zu beherrschen und zu verbergen gestattet, natürliche Intelligenz und Sprachgewandtheit, rasches Aufflammen in Liebe und Haß. Der Sinn für Bildung, Wissenschaft und Kunst hat sich, seit der Druck des Despotismus gewichen ist, rasch wieder zu zeigen begonnen. Das Land ist, trotz der geringen Förderung seitens der Regierung, seit 1860 in materiellem und geistigem Aufschwung begriffen, wenn man auch noch viel Elend, Aberglauben, Unwissenheit, Verkommenheit findet und weder der Brigantaggio noch die Mafia, eine alle Stände durchziehende Art von Verbrecher-Freimaurerei, Erzeugnis jahrhundertelanger Willkür und Rechtlosigkeit und übler sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse, bisher ausgerottet werden konnten. Der Grundbesitz ist als eine Erbschaft der Feudalzeit bisher noch in wenigen Händen vereinigt; auch der Verkauf der Kirchengüter hat keine erhebliche Vermehrung der kleinen Grundbesitzer herbeigeführt. Die Latifundienbesitzer, meist mit Fürsten-, Herzogs- und Markgrafentiteln ausgestattete Adlige, leben in den Städten und besuchen selten ihre Güter. Verwalter bewirtschaften diese und vermitteln zwischen dem unbekannten Herrn und den kleinen Pächtern oder der Masse der ländlichen Tagelöhner, die, in den Städten wohnend, unter großen Beschwerden und gegen Hungerlöhne fast alle Landarbeit ausführen.

[Erwerbszweige.] Die Landwirtschaft ist in S. die Beschäftigung der weitaus überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. Die wichtigsten Produkte sind: Weizen (1905 auf 862,388 Hektar 6,191,573 hl), Wein (1905 auf 179,000 Hektar 2,347,715 hl), Olivenöl (1905 auf 139,064 Hektar 776,102 hl), ferner Agrumi, besonders Apfelsinen und Limonen (3200 Mill. Stück von 11 Mill. Bäumen), Gerste, Hülsenfrüchte, Flachs, Sumach, Tabak (1903: 315,829 kg), Opuntien, Feigen, Mandeln, Haselnüsse, Johannisbrot, Süßholz u. a. Die Viehzucht ist minder bedeutend; am zahlreichsten sind noch Schafe und Ziegen. Die Seidenraupenzucht lieferte 1902: 310,000 kg Kokons. Ein lohnender Erwerbszweig ist ferner die Fischerei, namentlich auf Sardellen und Thunfische, wobei 1904: 6649 Fahrzeuge und 31,526 Mann beschäftigt waren. Zum Zwecke der Hochseefischerei sind 1904: 96 Schiffe von 495 Ton., zur Schwammfischerei 28 Schiffe von 847 T. aus Lampedusa, Trapani und San Vito ausgelaufen. Der Bergbau beschäftigt an 50,000 Arbeiter und ergibt vor allem Schwefel, der (1903: 560,000 T. im Werte von 53 Mill. Lire) namentlich in den Provinzen Caltanissetta, Girgenti und Catania allerdings noch in wenig rationeller Weise abgebaut wird und großenteils zur Ausfuhr gelangt, dann Steinsalz und Asphalt bei Ragusa. In den Salinen an der Küste (namentlich bei Trapani) wird viel Seesalz, in zahlreichen Brüchen wird Kalk, Gips, Tuff, Marmor, Lava, Sandstein etc. gewonnen. Mineralquellen hat S. 82, meist Schwefelquellen, die bedeutendsten bei Termini und Sciacca. Die Industrie ist in S. sehr gering. Bedeutender ist der Handel, der sich seit 1860 rapid entwickelte. 1901 waren von den über 9 Jahre alten Personen beschäftigt in Landwirtschaft (einschließlich Viehzucht, Jagd und Fischerei) 767,957, im Gewerbe 373,726, im Handel 145,433. Die Bekleidungsindustrie beschäftigt 104,540, das Baugewerbe 59,986, das Transportwesen 56,490, die Weberei 43,847, Holz-, Stroh-, Möbelindustrie 33,076, Nahrungsmittelindustrie 31,682, Metallurgie 24,839, Stein- und Tonbearbeitung 11,484 Personen. Das Eisenbahnnetz der Insel umfaßt die Hauptlinien Messina-Syrakus, Palermo-Roccapalumba-Girgenti-Porto Empedocle, Palermo-Cefalú-Messina, Palermo-S. Carlo, Palermo-Trapani und Syrakus-Licata nebst einigen Zweiglinien (zusammen 1544 km). Auch auf Hafenbauten in Palermo, Messina und Porto Empedocle sind bedeutende Summen verwendet worden. In sämtlichen (63) Häfen von S. liefen 1904: 27,199 handelstätige Schiffe von 9,719,838 Ton. ein. Die Einfuhr zur See betrug 1,459,086 T., die Ausfuhr 1,647,293 T Zu S. gehören auch noch die Liparischen Inseln nebst Ustica auf der Nord-, die Ägatischen Inseln auf der Westseite und die Insel Pantelleria nebst den Pelagischen Inseln (Lampedusa und Linosa) an der Südseite. Die Insel zerfällt in sieben Provinzen: Caltanissetta, Catania, Girgenti, Messina, Palermo, Syrakus und Trapani.

Vgl. Goldhann, Ästhetische Wanderungen in S. (Leipz. 1855); Amico, Dizionario topografico della Sicilia (2. Aufl., Palermo 1858–59, 2 Bde.); Löher, Sizilien (Münch. 1864); Hoffweiler, S., Schilderungen aus Gegenwart und Vergangenheit (Leipz. 1870); Gregorovius, Siciliana (8. Aufl., das. 1903); Th. Fischer, Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerländer, besonders Siziliens (das. 1877); v. Lasaulx, S., ein geographisches Charakterbild (Bonn 1879); Nissen, Italische Landeskunde (Bd. 1, Berl. 1883); Schneegans, S., Bilder aus Natur, Geschichte und Leben (2. Aufl., Leipz. 1905); Chiesi, La Sicilia illustrata (Mail. 1892); Widmann, S. und andere Gegenden Italiens (Frauens. 1898); Paton, Picturesque Sicily (Lond. 1898); Rumpelt, S. und die Sizilianer (Berl. 1902; neue Folge. [509] Radeberg 1906); Zimmermann, Sizilien (Nr. 24 u. 25 der Sammlung »Berühmte Kunststätten«, Leipz. 1904 u. 1905); Wermert, Die Insel S. in volkswirtschaftlicher, kultureller und sozialer Beziehung (Berl. 1906); Di Vita, Dizionario geografico dei comuni di Sicilia (Palermo 1905); die Reisehandbücher von Gsell Fels (»Unteritalien und S.«, in »Meyers Reisebüchern«) und Bädeker; Gambino, La S. fisica, itineraria e politica, Karte 1:400,000 (Palermo 1888); »Carta geologica della Sicilia«, 1:500,000 (hrsg. vom Ufficio geologico, Rom 1885).

[Geschichte.] Die älteste Bevölkerung Siziliens, das auch Trinakria (»Dreispitzen«) genannt wurde, schieden die Alten in zwei Stämme, Sikeler (Sikuler) im Osten und Sikaner im Westen, sicherlich Zweige desselben Volkes, die in vorgeschichtlicher Zeit aus Unteritalien in die Insel eingewandert sind. Im äußersten Westen der Insel saßen die Elymer, deren Herkunft nicht zu bestimmen ist. Wegen ihrer günstigen Lage im Zentrum des Mittelländischen Meeres wurde S. bald das Ziel der Handelstätigkeit der Phöniker. Ihnen folgten seit dem 8. Jahrh. chalkidische Griechen, die den Norden, dann dorische, die den südlichen Teil der Ostküste kolonisierten und sich dann auch über die Nord- und Südküste ausbreiteten. Chalkidische Städte waren: Naxos, Zankle (später dorisch Messana), Katane, Leontinoi, Himera; dorische: Syrakus, Megara, Kamarina, Gela, Akragas (Agrigent), Selinus. Die griechische Bevölkerung der sogen. Sikelioten (sizilischen Griechen) war so zahlreich und mächtig, daß sie wenigstens die Küstenlandschaften völlig hellenisierten.

Die innere politische Entwickelung der sizilischen Griechenstädte (s. Karte bei Artikel »Italia«) bewegte sich in denselben Bahnen wie die des Mutterlandes: aus der Aristokratie ging auch hier die Tyrannis hervor. Als der älteste Tyrann Siziliens gilt Panaitios von Leontinoi (um 615); bekannter ist Phalaris von Agrigent geworden, der sich um 571 der Herrschaft bemächtigte; einem seiner Nachfolger, Theron, und Gelon, dem Tyrannen von Syrakus, war zur Zeit der Perserkriege der größte Teil des griechischen S. untertänig; beide besiegten 480 die Karthager, die an Stelle der Phöniker getreten waren, unter Hamilkar in einer großen Schlacht am Flusse Himera. Nach dem Tode Therons (472) gewann Hieron von Syrakus, Gelons Nachfolger, die Führung in dem ganzen griechischen S. Aber bald nach Hierons Tode wurde zuerst in Syrakus (466), dann auch in den übrigen Griechenstädten die Tyrannis gestürzt und die republikanische Verfassung eingeführt. Das ehrgeizige Streben von Syrakus nach der Vorherrschaft über die sizilischen Hellenen hatte die Einmischung der Athener in die Verhältnisse der Insel (sizilische Expedition, 415–413, s. Syrakus) zur Folge. Zwar wurde diese zurückgewiesen, und Dionysios I., der die Tyrannis in Syrakus herstellte und bis 367 regierte, gewann noch einmal die Vorherrschaft über einen großen Teil der Insel. Nach dessen Tod sank jedoch die Macht von Syrakus, die auch Agathokles nicht auf die Dauer herstellen konnte. Von ihrem Waffenplatz Agrigent aus dehnten daher die Karthager ihre Herrschaft immer weiter aus und behaupteten sie auch gegen den König Pyrrhos von Epirus, bis sie in dem Frieden, der dem ersten Punischen Krieg ein Ende machte (241), ihre Besitzungen auf der Insel an die Römer abtreten mußten. Syrakus mit seinem Gebiet blieb zunächst noch unabhängig und wurde erst im zweiten Punischen Krieg 212 erobert und mit der Provincia Sicilia vereinigt.

Als römische Provinz war S. die Kornkammer Italiens; ein Krebsschaden war jedoch die ausgedehnte Sklavenwirtschaft. Wiederholt kam die Erbitterung der auf das grausamste behandelten Sklaven in blutigen Aufständen (Sklavenkriegen, s. d.) zum Ausbruch. Griechische Sprache und Sitten blieben noch lange herrschend; erst in der römischen Kaiserzeit wurde die Insel völlig latinisiert. In den letzten Zeiten des weströmischen Reiches von öftern Raubzügen des Wandalenkönigs Geiserich heimgesucht, kam S. mit dem Untergang des Reiches an Odoaker, nach dessen Sturz an die Ostgoten und 551 n. Chr. an das byzantinische Reich. 827 landeten die Sarazenen auf S. und vollendeten 878 durch die Einnahme von Syrakus die Eroberung der Insel, die ihnen 1061–91 durch die Normannen unter Roger I. entrissen wurde. Dessen Sohn, Roger II., vereinigte 1130 S. mit dem Festland Unteritaliens zu einem Königreich (s. Sizilien, Königreich beider). Durch die Sizilianische Vesper (s. d.) wurde S. 1282 wieder von Neapel getrennt und kam unter die Herrschaft Peters von Aragonien, der es 1285 auf seinen zweiten Sohn, Jakob, vererbte. Nachdem dieser 1291 König von Aragonien geworden war, verzichtete er 1295 zugunsten der Anjous auf S.; doch wollten die Sizilianer ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben und erhoben Peters jüngsten Sohn, Friedrich II. (1296–1337), auf den Thron, der sich gegen die Anjous und den Papst behauptete und eine Hauptstütze der Ghibellinen in Italien war. Nach der kurzen Reg! erung seines Sohnes Peter II. (1337–42) folgten dessen Söhne Ludwig (1342–55) und Friedrich III. (1355–77), der 1372 die Oberlehnsherrlichkeit des Papstes und Neapels anerkannte und sich zur Zahlung eines Zinses an letzteres verpflichtete. Unter der Herrschaft von Friedrichs III. minderjähriger Tochter Maria (1377–1401) wurde S. von Parteiungen zerrissen, indem ein Teil der Barone einem italienischen Prinzen die Hand der Königin und die Herrschaft verschaffen wollte, ein andrer zu Aragonien neigte. Letztere Partei siegte, indem Maria mit dem Enkel Peters IV. von Aragonien, Martin, vermählt wurde; doch starb dieser schon 1409, ohne männliche Erben zu hinterlassen, und nun fiel S. an Aragonien, das unter Alfons V. auch Neapel erwarb. Während dieses 1458–1501 wieder selbständig wurde, blieb S. mit Aragonien vereinigt und stand bis 1713 unter der Herrschaft Spaniens. Im Frieden von Utrecht (1713) wurde S. als Königreich dem Herzog von Savoyen zugeteilt, 1720 aber gegen Sardinien an Österreich abgetreten, das nun Neapel und S. unter seiner Herrschaft vereinigte und beide Lande 1735 den spanischen Bourbonen als Sekundogenitur überließ. Als König Ferdinand IV. 1806 von Napoleon seines Thrones beraubt wurde, floh er nach S., das er unter dem Schutz der englischen Flotte behauptete, und dem er auf Verlangen des englischen Befehlshabers Lord Bentinck 1812 auch eine freisinnige Verfassung gab. 1815 wurde die Insel mit Neapel zum Königreich beider Sizilien (s. d.) vereinigt. Als 1820 in Neapel die Revolution ausbrach, versuchte S. sich wieder loszureißen; nur durch Personalunion wollte es mit Neapel verbunden sein. Doch wurde der Aufstand mit der Eroberung Palermos (5. Okt.) unterdrückt. Anfang 1844 erneuerte es den Versuch, sagte sich 13. April förmlich von den Bourbonen los und wählte 11. Juli den Herzog von Genua zum König. Indes wurde es im Mai 1849 von den Neapolitanern wieder unterworfen. 1860, als Garibaldi[510] in Marsala landete, schloß sich S. ihm sofort an und ward nach dem Sturz der Bourbonen mit dem Königreich Italien vereinigt. Doch bereiteten die Zustände auf der Insel der neuen Regierung noch lange erhebliche Schwierigkeiten. Die Korruption und der Widerstand gegen Gesetz und Recht waren in der Mafia (s. d.) förmlich organisiert und konnten auch durch energische Ausnahmemaßregeln nicht völlig ausgerottet werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse auf der Insel haben noch in jüngster Zeit wiederholt Erhebungen der Bevölkerung hervorgerufen, worauf die Regierung eine Reform der agrarischen Zustände in Aussicht nahm. Vgl. P. San Filippo, Compendio della storia di Sicilia (8. Aufl., Palermo 1864); La Lumia, Studi di storia siciliana (das. 1870, 2 Bde.); Duca di Serradifalco, La antichità della Sicilia (das. 1835–42, 5 Bde.); Holm, Geschichte Siziliens im Altertum (Leipz. 1870–98, 3 Bde.); Freeman, History of Sicily (Lond. 1891 bis 1894, 4 Bde.; deutsch, Leipz. 1895–1901, 3 Bde.); Pais, Storia della Sicilia e della Magna Grecia (Tur. 1894, Bd. 1); Amari, Storia dei Musulmani di Sicilia (Flor. 1853–73, 3 Bde.) und Biblioteca Arabosicula (s. Amari); Maggiore-Perni, La popolazione di Sicilia dal X al XVII secolo (Palermo 1892); Bianco, La Sicilia durante l'occupazione inglese, 1806–1815 (das. 1902) und La rivoluzione Siciliana del 1820 (Flor. 1905); Busacca, Storia della legislazione di Sicilia (Messina 1876); Calisse, Storia del parlamento in Sicilia (Turin 1887); Bianchini, Della storia economica-civile di Sicilia (Neap. 1841, 2 Bde.); Franchetti und Sonnino, S. im Jahre 1876 (deutsch, Dresd. 1906); Di Marzo, Delle belle arti in Sicilia (Palermo 1858–64, 4 Bde.); Salvo di Pietraganzili, Storia delle lettere in Sicilia (Palermo 1892–1900, Bd. 1–3); »Documenti per servire alla storia di Sicilia« (das. 1879 ff.); »Archivio storico Siciliano« (das. 1873 ff.) und »Archivio storico per la Sicilia orientale« (Catania 1904 ff.); Mira, Bibliografia Siciliana (Palermo 1875–82, 2 Bde.), und die Literatur des folgenden Artikels.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 508-511.
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