[286] Arion. Ein Meister des Gesanges und der Saiten, welcher die Dithyrambe erfand, und am Hofe des Periander zu Korinth lebte. Als er mit den durch seine Kunst auf einer Reise durch Italien und Sicilien erworbenen Schätzen wieder von Tarent nach Korinth zurückkehren wollte, regte sein Besitzthum die Habsucht der Schiffer auf, und sie beschlossen, ihn zu tödten. Als sie ihn mit ihrem grausamen Vorsatz bekannt machten, gab er sich willig in sein Schicksal, und bat nur noch das Eine, sie möchten ihm vergönnen, im Dichterschmuck ein Lied zu singen, und so von dem Leben Abschied zu nehmen. Dieser Bitte ward Willfahrung, und in reinen Gewändern, mit gesalbtem, lorberbekränztem Haar, [286] die goldne Leier in der Hand, trat Arion auf das Verdeck, und sang und spielte. So süß war sein Gesang, daß die Winde sanft beschwichtigt, nur leise fächelten, daß die Wellen sich ebneten, und freudig folgte dem Schiffe eine Schar von lauschenden Delphinen. Nur die harten Schiffer rührte sein Lied nicht. Als der Sänger geendet hatte, sprang er in das Meer, um nicht unter den rohen, entweihenden Händen dieser Schiffer zu fallen, und jene theilten sich in seinen reichen Schatz. Einer der Delphine aber schwamm heran, und auf seinem Rücken trug er rettend den Sänger durch das Meer. Gegen die Mörder erwachte der Zorn der Götter, und ein Sturm schleuderte sie in den Hafen von Korinth. Entsetzt fanden sie den Sänger dort, und erlitten die Strafe der Kreuzigung. Arion lebte nach wie vor geehrt und glücklich. Der Delphin und die Lyra Arion's wurden unter die Sterne versetzt. Den Namen Arion's führte auch ein redendes und weissagendes Roß, ein Geschöpf Poseidon's. Man kennt ein schönes Gedicht dieses Namens von H. W. Schlegel.
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