Bleichsucht

[94] Bleichsucht, auch blasses Fieber genannt, ist eine vorzugsweise dem weiblichen Geschlechte eigenthümliche Krankheit, welche gewöhnlich dann entsteht, wenn Schwäche oder andere Ursachen die physische Entwickelung desselben hindern, oder diese durch körperliches Befinden und geistige Einwirkung beschränkt oder völlig gehindert wird. Solche Kranke haben eine eigenthümliche blasse, gelbliche Gesichtsfarbe, die am besten mit dem Aussehen verbleichter Wachsfiguren zu vergleichen ist. Die Augen sind glanzlos, matt, hohl, ränderig; Lippen und Zunge blaß; das Gesicht gedunsen, ohne dick zu sein. Geistige und körperliche Abgespanntheit, Unlust zum Essen, Trinken und zur Bewegung, Trägheit aller Functionen, Schlaflust, Frost, mannichfaltige Schmerzen[94] und Beschwerden, Luft nach Genuß unpassender Nahrung, hohe Reizbarkeit bezeichnen dieses manchmal kurz dauernde, manchmal Jahre lang währende und in Wassersucht oder andere, selbst tödtliche Krankheiten übergehende Leiden. Bei wenig Krankheiten kann so viel versehen und vernachlässigt, aber bei wenigen auch so sehr viel durch richtige Leitung der Natur erlangt werden. Sie ist im Grunde nur eine eigenthümliche Krankheit des Blutes, dessen gesetzmäßiges Mischungsverhältniß aufgehoben ist, indem es der festen und färbenden Theile ermangelt und zu viel Wasser enthält. Daher die Wirksamkeit der Eisenmittel, welche von solchen Kranken in sehr großen Dosen und mit einer gewissen Luft genommen werden, die so weit geht, daß sie den unangenehmen Geschmack lieblich finden. Mehr als ärztliche Mittel hilft oft eine geregelte Lebensweise, Gemüthsruhe, Erheiterung und der Genuß anderer Luft, namentlich durch Reisen.

D.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 94-95.
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