Dalmatien

[56] Dalmatien, Provinz des östreichischen Kaiserthumes, mit dem Titel eines Königreiches, liegt am adriatischen Meere, und ist von einem Theile Griechenlands, von Bosnien und Croatien begränzt, umfaßt nahe an 300 Quadrat Meilen und zählt über 300,000 Ew. Viele Herren hat dieses eigenthümliche Land gehabt, doch beinahe keinen, der des Besitzes froh geworden wäre, denn der kräftige, kühne Menschenschlag, der es bewohnt, besaß in früheren Zeiten einen solchen Freiheitssinn, daß die Macht der größten römischen Feldherren daran scheiterte, und er zuerst unter Augustus unterworfen wurde. Die Gothen, die morgenländischen Kaiser, die Slawen, Ungarn, Venetianer, Türken etc. stritten sich um dessen theilweisen oder ganzen Besitz, bis es mit Oestreich vereint wurde. Felsen, undurchdringliche Waldungen, mächtige steile Gebirge, magerer Boden, oder weit ausgedehnte Sümpfe machen das Land unergiebig, und sind theilweise der Grund, warum die Eingebornen als Soldaten, Matrosen etc. ihren Unterhalt suchen. Als solche sind sie geschätzt, und bilden einen bedeutenden Theil der Schiffsbemannung aller im Mittelmeer handelnden Fahrzeuge, ja Venedigs Macht gründete sich auf diesen wilden, kühnen, tapfern Menschenschlag. – Im Uebrigen zeichnen sie sich nicht durch besondere moralische Eigenschaften aus, [56] sie sind hinterlistig, rachgierig, räuberisch, zum Trunk geneigt, halten die meisten Kapitalverbrechen für erlaubte Handlungen, üben dagegen Gastfreundschaft, halten fest am gegebenen Versprechen, sind wohlthätig, und eben so zuverlässige Diener, als gefährliche Feinde. Wie bei allen halb wilden, beinahe nomadisirenden Völkern (man kann die Dalmatier kaum zu den Ackerbau treibenden zählen), spielt das Weib dort eine untergeordnete Rolle. Als Mädchen, im Brautstande einer fast ritterlichen, romantischen Verehrung genießend, stempelt die Verheirathung die arme Neuvermählte zur Sclavin, bestimmt, des Mannes niedrigste Bedürfnisse ohne Murren zu verrichten. Der grausame Druck hat eine tiefe Schwermuth bei dem schönen Geschlechte zurückgelassen, doch die Spuren höchst edler Körperbildung, welche es dem rein griechischen Stamme verdankt, nicht verwischen können – nur die Farbe der Haut ist nach unsern Begriffen von Schönheit zu dunkel.

V.

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Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 56-57.
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