Gessner, Salomon

[418] Gessner, Salomon, der liebliche Idyllendichter, wurde 1730 geboren, zeigte in seiner Jugend wenig Neigung zu gelehrten[418] Studien, wohl aber eine besondere Vorliebe für die Reize der Natur, und einen Trieb, sie künstlerisch darzustellen. So wandte er sich im Stillen zu der Landschaftsmalerei, und, durch die Lectüre des Dichters Brockes begeistert, auch zur Poesie. Sein Vater hatte ihn für den Buchhandel bestimmt, allein diese Beschäftigung sprach ihn so wenig an, daß er wieder zur Malerei zurückkehrte, mit Sulzer und Ramler Bekanntschaft machte und auf einer Reise nach Hamburg mit Hagedorn innige Freundschaft schloß. Nach der Rückkehr in seine Vaterstadt, trat er bald mit mehrern Dichtungen als »die Nacht«, »Daphnis« etc. auf. 1756 erschien das erste Bändchen seiner Idyllen, dem erst 1772 ein zweites folgte. Durch diese begründete er seinen Ruhm in Deutschland und noch mehr bei den Franzosen, die Geßner's Werke verschlangen und ihn für den größten deutschen Dichter erklärten. Im 30. Jahre vermählte er sich mit Dem. Heidegger, einem eben so gebildeten, als liebenswürdigen Mädchen, und begann die Kunst, die er bisher als Liebhaberei betrieben, zum ernsten Geschäft zu machen. Er trat als Maler und Kupferstecher auf, und errang sich Beifall, zuweilen Bewunderung. So lange er lebte, war er in Zürich der Mittelpunkt, um den sich alle Männer von Geist und Geschmack versammelten. 1787 machte ein apoplektischer Zufall seinem Leben, das wie ein stiller Bach durch ein blumiges Wiesenthal dahinfloß, ein sanftes Ende. Er lebte und endete, wie die Helden seiner lieblichen Idyllen. Seine Mitbürger setzten ihm auf einer reizenden Promenade an der Limmat ein Denkmal. Geßner hatte einen hellen, klaren Verstand, eine zarte Empfindung und einen feingebildeten Geschmack. Die Grundlage seines sittlichen Charakters war eine seltene Herzensgüte, ein heiterer, zufriedener Sinn; im Umgange machte ihn seine lebendige Laune zu dem liebenswürdigsten Gesellschafter.

E. O.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 418-419.
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