[300] Lavater, Johann Kaspar, Johann Kaspar, eine Säule der Christenheit des 18. Jahrhunderts. Von Vielen verkannt, von Tausenden überschätzt, von Allen geliebt und verehrt, kann man von ihm sagen, daß ihn nur Frauen am besten verstanden. Er ward 1741 zu Zürich geb. und schien in seiner Kindheit nichts weniger als ein Lichtpunkt der Geschichte seiner Zeit zu werden, denn selbst in der Schule war[300] man Anfangs mit seinen Fortschritten sehr unzufrieden, bis zu der Zeit, wo er in die höhern Klassen trat und Bodmer's geistreichen Unterricht genoß. Obschon er jetzt in den Wissenschaften einen schnellen Aufschwung nahm, so blieb doch Beobachtung der Menschen, Wachsamkeit über sich selbst und den Seelenzustand Anderer, so wie Ermunterung zur Frömmigkeit, sein Lieblingsgeschäft. Er studirte Theologie, sprach, wie er dachte, und handelte, wie er sprach. Mit seinem besten Freunde Füßli unternahm L. 1763 eine Reise durch ganz Deutschland, auf welcher er in die freundschaftlichste Verbindung mit Spalding, Klopstock, Jung-Stilling, Herder, Göthe, Jacobi und vielen anderen ausgezeichneten Männern seiner Zeit trat. Hingerissen von L's glühendem Geist, von seiner Liebenswürdigkeit, Herzensgüte, Reinheit und Einfachheit des Wesens, suchte Jeder, der ihn kennen lernte, seinen nähern Umgang. In die Vaterstadt zurückgekehrt ward er Waisenhausprediger und wirkte dort in mehreren andern Aemtern bis an sein trauriges Ende. Als nämlich den 26. Sept. 1797 die Franzosen Zürich einnahmen und L. auf der Straße beschäftigt war, den Vermittler zwischen Militair und Einwohnern zu machen, erhielt er von einem französischen Grenadier eine Schußwunde, an deren Folgen er nach 4 jährigen unaussprechlichen Leiden den 2. Jan. 1801 starb. Die katholische Kirche würde in ihrem Schooße ihn heilig gesprochen haben. Joh. von Müller nennt Lavater den Kirchenvater der neuen Theologen und durfte mit Recht von ihm sagen: »Ich kenne unter ihnen Keinen, der wahrhafter und stärker glaubt, tiefer fühlt und inniger erfaßt als er.« Dieselbe allgemeine Anerkennung seiner persönlichen Liebenswürdigkeit genoß L. bei einem Besuch in Bremen 1786, nachdem er einen Ruf dahin ausgeschlagen hatte. Wie einen Heiligen empfing man ihn dort. Obrigkeit, Bürgerschaft und öffentliche Blätter wetteiferten, ihm Lobeserhebungen zu machen. Als Dichter und Schriftsteller sind L's Verdienste um seine Zeit gleich ausgezeichnet, wie als Prediger. Unter seinen vielen Schriften waren es zuerst seine »Schweizer Lieder[301] ,« die »Aussichten in die Ewigkeit,« seine »Predigten« und sein »Sittenbüchlein für Dienstboten,« welche man mit Begeisterung aufnahm. Seine »Physiognomischen Fragmente« und eine Reihe anderer Schriften, enthalten einen so tiefen und unermeßlich reichen Stoff von Schätzen der Weisheit, daß sie nur erst die Zukunft genügend erkennen und benutzen wird.
J.