[145] Mathilde, Königin von England, Königin von England, die Tochter Heinrich's I. und der Mathilde von Schottland, geb. 1101, ward schon in ihrem 10. Jahre an Kaiser Heinrich V. vermählt. Diese Verbindung konnte in mancher Beziehung keine glückliche genannt werden. Als die Kaiserin 18 Jahr alt war, überstrahlte sie durch Schönheit und persönlichen Liebreiz alle Damen ihres Hofes. Ein Kämmerling entbrannte in glühender Liebe zu ihr und wagte es, seine Leidenschaft zu gestehen. Die Kaiserin, darüber entrüstet, wollte dennoch ein Menschenleben schonen und verzieh dem Unbesonnenen. Heinrich aber, der des Ritters Neigung bemerkte, feuerte diesen an, seine Bewerbungen fortzusetzen, um Mathildens Treue zu erproben. Die Kaiserin, dieß ahnend, gestattete dem Ritter Nachts vor ihr[145] Schlafgemach zu kommen. Statt seiner erschien der Kaiser und wurde von den Dienern Mathildens mit Schlägen empfangen, die so heftig fielen, daß sie ihm ein lautes Wehgeschrei entlockten. Mathilde, die seine Stimme erkannte, befreite den Gemahl aus den Händen der Dienstfertigen, und die Folge davon war, daß der Kaiser nicht mehr an der Treue seiner Gemahlin zweifelte. Aber der verschmähte Liebhaber entbrannte in Haß, beschuldigte die Kaiserin des Ehebruchs und trug auf ein Gottesurtheil an. Obgleich das Ereigniß in Deutschland, Italien, Frankreich und England bekannt war und Niemand an der Unschuld der Kaiserin zweifelte, so erschien doch der anberaumte Tag, und es hatte sich kein Kämpfer gemeldet. Da kam ein junges Mädchen in Nonnentracht zu Mathilden, befragte sie über ihr Verhältniß zu jenem Ritter, und schied, nachdem jene ihre Unschuld betheuert und beschworen hatte, mit freundlichen Trostesworten. Gleich darauf trat ein Ritter in die Schranken, überwand den Ankläger, setzte dem Gefallenen die Spitze seines Schwertes auf die Brust und rief: »Gott hat dich besiegt durch eine Jungfrau. Ich bin ein Weib und bin gekommen, die Ehre meines Geschlechtes zu vertheidigen.« Der Bösewicht gestand nun den Zusammenhang seines Lügengewebes im Angesichte des ganzen Hofes und des versammelten Volkes. Die kühne Heldin aber verließ die Schranken und wurde nicht wieder gesehen. Es war wie ein Traum, wie ein Wunder, das an den Augen der Zuschauer vorüberging, und Mathilde wurde unter dem Jubel des Volkes aus dem Thurme, worin sie gefangen saß, befreit. Der Kaiser starb 1125, M. kehrte nach England zurück, und hier bewarb sich Gottfried Plantagenet, Graf von Anjou, um ihre Hand, und erhielt mit derselben die Krone Englands. Während ihrer Abwesenheit usurpirte Graf Stephan von Boulogne, ein Neffe ihres Vaters Heinrich I., den Thron und ließ sich krönen. Jetzt entspann sich ein lange dauernder Kampf zwischen Gottfried und Stephan. Mathilde landete mit einem franz. Heer, wurde aber geschlagen und[146] gefangen genommen. In Bristol erhielt sie ritterliche Hast, entfloh aber von dort nach Glocester, fand daselbst ihren natürlichen Bruder, der einen Anhang gesammelt hatte, seine Kriegerschaaren gegen den Thronräuber führte, diesen schlug, gefangen nahm, und Mathilden gefesselt übergab. Gleichzeitige Schriftsteller erzählen, die Königin habe, uneingedenk seiner ihr früher bewiesenen Großmuth, durch eine harte Gefangenschaft ihr Rachegefühl gekühlt. Aber das Kriegsglück befreite ihn bald. Gottfried, Mathildens Gatte, wurde in der Schlacht von Wincester gefangen und konnte nur gegen Stephan ausgewechselt werden. Doch der Krieg entbrannte von Neuem und währte 16 Jahre, bis endlich Gottfried, müde desselben, freiwillig die Krone unter der Bedingung an Stephan abtrat, daß sie nach seinem Tode an Mathildens Sohn Heinrich vererbe. Mathilde ging nach der Bretagne, dem Erblande ihres Gemahls und starb zu Rennes im 66. Lebensjahre.
V.
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