[40] Orpheus, ein berühmter thrakischer Sänger, der Muse [40] Kalliope und des Oeager, oder des Apollo Sohn. Groß, ja größer als die irgend eines spätern sterblichen Sängers, war Orpheus Kunst; er vermochte mit süßen Liedern zum Klange seiner Saiten die wilden Thiere des Waldes zu bändigen, daß sie kamen und ihm zuhörten. Die Bäume neigten lauschend ihre Zweige seinen Melodien, und die starren Steine selbst gehorchten der alles bezwingenden Harmonie. Orpheus Gattin war Eurydice (s. d.). Ihr Tod, durch den Biß einer Schlange, bewog ihn, in die Unterwelt hinab zu steigen, wo es ihm gelang, durch seinen Gesang die Mächte des Hades zu rühren, und wo ihm das Versprechen wurde, den theuern Schatten der Gattin wieder zurück zu führen. Aber seine allzuheftige Sehnsucht, indem er gegen das ausdrückliche Verbot zurücksah, ob sie ihm folge, vereitelte den Wunsch seines Herzens, und er kehrte ohne die geliebte Gattin auf die Oberwelt zurück. Orpheus ward Mitgefährte der Argonauten, und früher Stifter eines mysteriösen Kults; er gab den rohen Thrakiern Gesetze und Sitten, und wurde ein Wohlthäter der Menschheit, daher die Mythe von der Macht seines Gesanges allegorisch gedeutet werden kann. Endlich fand ex seinen Tod durch wahnsinnig-begeisterte Mänaden, deren rasenden Orgien er sich widersetzte; sie zerrissen ihn, und schleuderten sein Haupt und seine Leier in den Hebros; aber die Lyra tönte noch fort, das Haupt sang noch fort, und ertheilte später Orakel. Die Lyra aber, die von Merkur verfertigte, vom Apoll dem Orpheus geschenkte, ward unter die Sterne versetzt.
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