[5] Rügen. Schwerlich dürfte irgend eine andere Insel der Ostsee reicher und reizender von der Natur ausgestattet, kühner und kräftiger von den Sagen mythisch historischer Vorzeit verherrlicht sein, wie eben dieß 18 ½M. große Eiland. Jeder Hügel gewährt hier den Anblick einer Karte, jeder Fels die entzückendste Fernsicht. Ueberall malerische Landschaften, denen es weder an Wald, noch an Berg, noch an Wasser, noch an der mannigfaltigsten Himmelsbeleuchtung fehlt, überall Höhen und Abgründe, Meerbusen, Kreidewände und Binnenseen, Getreidefluren und Wiesen, heilige Haine voll Hünengräber und Opferaltäre, feste Bergschlösser, vorchristliche Verschanzungen, heidnische Gerichtsplätze! Dazu noch die zahllosen Ortschaften und adeligen Güter, womit das Ländchen wie übersäet ist, der unheimliche Rugard mit den wenigen Ruinen der Jaromarsburg, die Stubbenkammer mit dem von Karl XII. erkletterten Königsstuhl, das Schloß Puttbus mit seinen Seebädern, die schattigen Buchenwälder um den finstern Borgsee, wo Hertha (s. d.) einst ihre grausamen Mysterien gefeiert[5] haben soll, dazu Arcona das nördlichste Vorgebirge, wo noch vor sieben Jahrhunderten der prächtige Tempel Swantewit's, des vierköpfigen wendischen Jupiter's, hoch in die Wolken ragte, dazu das freundliche Altenkirchen mit der stattlichen Dichterhütte unseres Kosegarten, und endlich noch die weiten rauschenden Gewässer der Ostsee und der Belte! Früher unter schwedischer Herrschaft, gehört jetzt R. zum Regierungsbezirk Stralsund, der preuß. Provinz Pommern, und ist namentlich noch denkwürdig durch die ganz besondern Sitten und Gebräuche seiner patriarchalischen, zum Theil slavischen Bewohner, welche diese zugleich mit ihrer alten Nationaltracht beibehalten haben. Lappe feierte R. in einem trefflichen Gedichte, und einen noch reicheren Liederkranz wand diesem lieblichen Eilande Wilhelm Müller in der Urania.
P.