Ringe

[415] Ringe. Jupiter – so erzählt die bedeutsame Mythe – gab dem Prometheus einen Ring, in welchen er ein Stück des Felsens, woran er gefesselt war, eingesetzt hatte, und steckte ihm denselben an den Finger, auf daß er treu das Gedächtniß bewahre der empfangenen Wohlthat. In der nordischen Mythologie (s. d.) ist der Ring angedeutet unter der Brücke, welche in die Unterwelt hinabführt, und so mit dem Regenbogen der Oberwelt die Schlangenlinie der Ewigkeit bildet. Sonach gilt der Ring mit Recht in seiner höhern Bedeutung als das heilige Symbol des Gedächtnisses, der Erinnerung, der Ewigkeit des Gedenkens: er ist, seit uralter, christlicher Zeit, das süße Pfand der Treue und Liebe, er besiegelt das zitternde Geständniß zweier Herzen, den stummen Kuß der Umarmung, er ist der Talisman zweier Seelen, die den Bund für dieses Leben an heiliger Stätte aussprechen, und selbst den Todten gibt man ihn mit in jene schwarze Wiege, wo sie der ewige Schlaf umfängt. – Als Luxusartikel finden die Ringe ihren Ursprung jedenfalls im Orient. Die Alten überhaupt hielten auf schöne Hände und Finger, vorzüglich darum weil sie weit mehr als wir mit den Händen sprachen und die graziöse Bewegung derselben für einen Haupttheil der alten Tanzkunst galt. Bei den Römern war anfänglich der Ring ein Ehrenzeichen der Senatoren, Ritter und Tribunen, später wurde er Luxusartikel. Die vornehme Römerin besaß in ihren kostbar ausgestatteten Ringkästchen oder Daktyliotheken für jede Jahreszeit eigene Garnituren von Ringen. Denn da die Gemmen (s. d.), welche den R. damals den größten Werth gaben, zum Theil von beträchtlicher Größe waren, so trug man die größern und schwerern Ringe nur im Winter, wählte aber den Sommer die leichtesten und kleinsten. Ihre Ringgarnituren zeichneten sich durch die vollendeten Kunstwerke großer Meister in der Steinschneidekunst aus. Sie besaß[415] auch kostbare Amulete, oder sogenannte Talismane (s. d.), so wie die ersten Siegelringe, welche damals die noch sehr seltenen Schlösser ersetzen mußten. Der Hausfrau gebührte nach der Meinung des Alterthums der Siegelring; weil sie alles zu verwahren und zu versiegeln hatte: daher übergab die sterbende Wittwe allemal der ältesten Tochter den Ring. – Der Verlobungsring mußte in früherer Zeit in Deutschland halb von Gold, halb von Silber sein, und bestand, wie noch jetzt der Trauring, meist aus einem gleich starken, glatten oder gerieften Reis. Bei den heutigen Juden muß der Trauring echt golden sein, weßhalb er vorher genau untersucht wird: dann erst steckt ihn der Bräutigam der Braut an den Zeigefinger. Auch darf er nicht mit Steinen besetzt sein; gewöhnlich sind die Worte: Masel Tof (gut Glück) darauf gravirt. Die Presbyterianer in England sind jetzt die einzige christliche Sekte, welche die Ceremonie mit den Trauringen verwirft.– Die Indier tragen bekanntlich Ringe in der Nase und in den Lippen, die Türkinnen, welche im Sommer meist in bloßen Füßen gehen, dergleichen an allen Zehen, und die Bewohner der Molukken deren sogar am Kinne. S. Ohrringe, Armband.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 415-416.
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