[105] Aufmerksamkeit ist der Inbegriff der subjectiv-psychologischen Vorgänge und Zustände, die der Apperception (s. d.) eines Vorstellungsinhaltes entsprechen. Sie bedeutet einen höheren Grad der Bewußtheit, Concentration des Bewußtseins, Bevorzugung, Fixierung von Erlebnissen und Hemmung, Vernachlässigung anderer. Das aufmerksame Erleben wird charakterisiert durch Spannungsempfindungen, verschiedenartige Gefühle, Strebungen; der Zusammenhang aller dieser Factoren, in und mit welchen die Aufmerksamkeit gegeben ist, läßt diese als Trieb- bezw. Willenshandlung erkennen (unwillkürliche = triebhafte – willkürliche Aufm.).
Die Aufmerksamkeit gilt zunächst als eine besondere Bewußtseinstätigkeit, deren die Klarwerdung, Erfassung eines Inhalts bedarf, oft geradezu als Willenstätigkeit. So schon bei AUGUSTINUS (s. Apperception), nachdem schon im Altertum besonders STRATO die bemerkende Function der Aufmerksamkeit hervorgehoben hatte (Plut., De soll. an. 3, 6). THOMAS unterscheidet »attentio actualis« und »attentio secundum virtutem« (4. sent. 15, 4, 2, 4c) und betont: »ad actum cuiuslibet cognoscitivae potentiae requiritur intentio« (Verit. 13, 3c); die intentio ist »actus voluntatis« (Verit. 22, 19 c). DESCARTES erklärt die Aufmerksamkeit durch den Einfluß des Willens auf das Seelenorgan. »Cum quis suam attentionem sistere vult in consideratione unius obiecti per aliquod tempus, haec voluntas per illud tempus retinet glandem inclinatam in eandem partem« (Pass. an. I, 43, p. 20). MALEBRANCHE: »Je sens que la lumière se repand dans mon esprit à proportion que je le désire et que je fais un certain effort que j'appelle attention« (Méd. chrét. I, 2). LOCKE betont, daß die Vorstellungen der inneren Erfahrung erst klar und deutlich werden, wenn der Verstand sich nach innen auf sie wendet, auf sie achtet (Ess. II, ch. 1, § 8). LEIBNIZ schreibt der Aufmerksamkeit eine bewußtmachende Wirksamkeit zu, durch sie werden die Perceptionen zu Apperceptionen (s. d.) (Nouv. Ess. Préf. u. II, ch. 9); ein Streben der Seele, von einer Perception zur andern überzugehen, liegt ihr zugrunde (»Percepturitio«, (s. d.) bei CHR. WOLF). Nach CHR. WOLF ist die Aufmerksamkeit »facultas efficiendi, ut in perceptione composita partialis una maiorem claritatem ceteris habeat« (Psych. emp. § 237). »Wir finden in der Seele ein Vermögen sowohl bei ihren Empfindungen als Einbildungen und allen übrigen Gedanken..., sich auf eines unter ihnen dergestalt zu richten, daß wir uns dessen mehr als des übrigen bewußt werden, das ist, zu machen, daß ein [105] Gedanke mehr Klarheit bekommet, als die übrigen haben: welches wir die Aufmerksamkeit zu nennen pflegen« (Vern. Ged. I, § 268). BONNET faßt die Aufmerksamkeit als Reaction der Seele auf die Wahrnehmungseindrücke in ihr auf. »L'âme peut par elle-même rendre très vire une impression très faible. En réagissant sur les fibres représentatives d'un certain objet, elle peut rendre plus fort ou plus durable le mouvement imprimé à ces fibres par l'objet, et cette faculté se nomme l'attention« (Ess. de Psych. C. 7). Im 18. Jahrhundert überhaupt wird unterschieden: äußerliche – innerliche, natürliche, unvorsätzliche – willkürliche, vorsätzliche Aufmerksamkeit. So unterscheidet PLATNER active und passive Aufmerksamkeit und definiert die Aufmerksamkeit als »diejenige Tätigkeit der Seele, durch welche sie den innern Eindruck wahrnimmt« (Phil. Aph. I, 157). REID erblickt in der Aufmerksamkeit eine Willenshandlung (Inqu. 2, sct. 10). TH. BROWN erklärt: »Attention to objects of sense appears to be nothing more than the coexistence of desire with the perception of the object« (Phil. of the Hum. Mind, Lect. 31). Nach KANT ist das Aufmerken ein »Bestreben, sich seiner Vorstellungen bewußt zu werden« (Anthr. I, § 3). Nach CHR. E. SCHMID ist die Aufmerksamkeit »der Zustand, wo die Vorstellungskraft in Bezug auf den Stoff vorhandener Vorstellungen tätig ist« (Emp. Psych. S. 227). – M. DE BIRAN bestimmt die Aufmerksamkeit als Willenshandlung. »J'appelle attention ce degré de l'effort supérieur à celui qui constitue l'état de veille des divers sens externes et les rend simplement aptes à percevoir ou à représenter confusément les objects qui viennent les frapper. Le degré supérieur dont il s'agit est déterminé par une volonté positive et expresse qui s'applique à rendre plus distincte une perception d'abord confuse, en l'isolant, pour ainsi dire, de toutes les impressions collatérales qui tendent à l'obscurir« (Oeuvr. inéd. II, p. 86, 88). RENOUVIER: »L'attention est une volonté de s'arrêter à la considération d'un objet et de ses rapports au lieu de suivre le cours naturel des associations« (Nouv. Monadol. p. 97).
Nach FRIES bedeutet Aufmerken »willkürliche innere Wahrnehmung unserer Tätigkeiten«. Aufmerksamkeit ist die »Association unserer Willensbestimmung mit gewissen Vorstellungen, wodurch eben die Vorstellungen, für die ich mich interessiere, die ich haben will, lebhafter werden und leichter wahrgenommen werden« (Syst. d. Log. S. 66). SCHOPENHAUER sieht im Willen das, was »die Aufmerksamkeit zusammenhält« (W. a. W. u. V. Bd. II, C. 30). K. ROSENKRANZ: »Das Aufmerken ist derjenige Act der Intelligenz, wodurch sie sich die Richtung auf sich selbst in ihrem Gefühl gibt« (Psychol.3, S. 332). JACOB: »Wir bemerken ein Bestreben in uns, sobald Wahrnehmungen da sind, uns diese klar vorzustellen. Dieses Bestreben nennt man Aufmerksamkeit« (Gr. d. Erfahrungsseel. S. 206). Als Tätigkeit bestimmen die Aufmerksamkeit BENEKE (Lehrb. d. Psychol.) und LOTZE (Med. Psychol.), auch BOLZANO (Wiss. III, 86). Nach FECHNER ist die Aufmerksamkeit eine psychische Tätigkeit, die sich auf psychische Phänomene jeder Art beziehen kann, und die durch ein Gefühl der Selbsttätigkeit charakterisiert werden kann (Phil. Stud. IV, S. 207). Fechner gibt eine genaue Schilderung der im Gefolge der Aufmerksamkeit auftretenden Bewußtseinsvorgänge (Psychophys. II, 475 ff.). Die Aufmerksamkeit ist dieselbe Tätigkeit, welche im Willen wirksam ist (l.c. II2, 450). Als Willenstatsache faßt die Aufmerksamkeit HÖFFDING auf (Psychol. S. 160, 431). Nach TÖNNIES ist die Aufmerksamkeit »wesentlich bedingt durch die vorhandenen Antriebe und deren Erregungszustand« (Gem. u. Gesell. S. 140). KREIBIG: »Die Aufmerksamkeit[106] ist ein Wollen, das darauf gerichtet ist, einen äußeren Eindruck oder eine reproducierte Vorstellung, beziehungsweise bestimmte Einzelheiten darin klar und deutlich bewußt zu machen« (Die Aufm. als Willensersch. S. 2, vgl. S. 68, 76 ff. 83 ff.). Hier ist auch UEBERHORST (We(s. d.) Aufm.: Arch. f. syst. Philos. IV) zu erwähnen. R. WAHLE bestimmt die Aufmerksamkeit als »Erreichenwollen eines Wissens« (D. Ganze d. Philos. S. 372 ff.) PREYER: »Jeder Willensact erfordert Aufmerksamkeit, und jede Concentration der Aufmerksamkeit ist ein Willensact« (Seele d. Kind. S. 223). HODGSON bemerkt: »Attention, when guided by a propose, is an exercise of volition« (Phil. of Reflect. I, 291; so auch MANSEL, Letters... p. 48). Als actives Bewußtsein faßt die Aufmerksamkeit auf STOUT (Anal. Psychol. II, C. 283), auch J. WARD. JAMES erklärt, Aufmerksamkeit sei »the taking possession by the mind, in clear and vivid form, of one out of what seem several simultaneously possible objects or trains of thought. Focalization, concentration of consciousness are of its essence« (Princ. of Psychol. I, 404; 434, 441, 446). Eine specifische Activität ist die Aufmerksamkeit nicht (vgl. l.c. C. 11, 14). So auch BRADLEY (Mind XI, 1886, p. 322). Als active, auswählende, bewußtseinssteigernde Tätigkeit faßt die Aufmerksamkeit SULLY auf (Hum. Mind C. 6, Handb. d. Psychol. S. 101 ff.; vgl. BALDWIN, Handb. of Psych. I). Nach E. v. HARTMANN ist sie mit dem Wollen verwandt, physiologisch »ein centrifugaler Innervationsstrom, der die Erregbarkeit der getroffenen Endorgane erhöht oder herabsetzt« (Mod. Psych. S. 201). Sie deckt sich mit der Apperception (s. d.). – WUNDT bestimmt die Aufmerksamkeit als »die Gesamtheit der mit der Apperception von Vorstellungen verbundenen subjectiven Vorgänge« (Vorles.2, S. 267), als »den durch eigentümliche Gefühle charakterisierten Zustand, der die klarere Auffassung eines psychischen Inhalts begleitet« (Gr. d. Psych.5, S. 249). Es eignen sich besonders zusammengesetzte räumliche Vorstellungen dazu, um ein Maß für den Umfang der Aufmerksamkeit zu gewinnen (l.c. S. 251). Diese Versuche ergeben je nach den besonderen Bedingungen einen Spielraum zwischen 6 und 12 Eindrücken (l.c. S. 252). Die »successive Bewegung der Aufmerksamkeit über eine Vielheit psychischer Inhalte« scheint ein »periodischer Vorgang zu sein, der aus einer Mehrzahl aufeinander folgender Apperceptionsacte besteht« (l.c. S. 254). Die Aufmerksamkeitsvorgänge sind »innere Willensprocesse«, Trieb- und Willküracte (l.c. S. 261 f.). Der Tätigkeitscharakter der Aufmerksamkeit liegt nicht in einem besonderen Vermögen, sondern in dem Bewußtseinszusammenhange, der sie constituiert (Grdz. d. phys. Psych. II4, 266 f.; Phil. Stud. II, 33; Log. II2, 2, 265 f.). Die Aufmerksamkeit wird teils durch äußere Reize, teils durch innere Einflüsse gelenkt. Ihre Adaptation an den Reiz bekundet sich in Spannungsempfindungen (Grdz. d. phys. Psych. II4, 269 ff., Phil. Stud. II, 34). Der Gesamtproceß der Aufmerksamkeit und Apperception (s. d.) besteht in: 1) einer Klarheitszunahme, verbunden mit Tätigkeitsgefühl, 2) einer Hemmumg anderer disponibler Eindrücke, 3) in Spannungsempfindungen mit verstärkenden sinnlichen Gefühlen, 4) einer verstärkenden Wirkung der Spannungsempfindungen auf die Vorstellungsinhalte durch »associative Miterregung«. Die unter der Mitwirkung der Aufmerksamkeit zustande kommenden Vorstellungsverbindungen heißen Apperceptionsverbindungen (s. d.). Die Leistungen der Aufmerksamkeit sind in einer Beziehung Hemmungsprocesse. Das nimmt auch KÜLPE an (Gr. d. Psych. S. 460). Die Aufmerksamkeit ist nichts neben den Bewußtseinsinhalten Gegebenes (l.c. S. 439 f.), sondern »ein allgemeiner [107] Zustand des Bewußtseins..., dessen Bedingungen freilich außerhalb der wechselnden Inhalte, die in ihn geraten, gesucht werden müssen« (l.c. S. 440 f.). Die Wirkungen der Aufmerksamkeit bestehen in einer Vergrößerung der Empfindlichkeit und Unterschiedsempfindlichkeit (l.c. S. 444 f.), der Reproductions-Tendenz und -Treue (l.c. S. 445), in einer Herabsetzung oder Elimination der Gefühle, in einer Verfeinerung der Analyse, einer Verschmelzung (l.c. S. 446), in einer Beeinflussung des zeitlichen Verlaufs der Bewußtseinsinhalte (l.c. S. 447). Die Begleiterscheinungen der Aufmerksamkeit werden von Külpe aufgezählt (l.c. S. 448 ff.) und die Bedingungen der Aufmerksamkeit erörtert (l.c. S. 452 ff.): I. äußere Bedingungen, a. motorische, b. sensorische; II. innere Bedingungen, a. Gefühlswirkung eines Eindrucks = Interesses, b. Beziehung zur psychophys. Disposition. Ähnlich wie WUNDT lehrt G. VILLA (Einl. in d. Psychol. S. 284). Vgl. N. LANGE, Beiträge zur Theor. d. sinnl. Aufmerksamkeit (Philos. Stud. IV). Einen positiven psychophysischen Vorgang, der in der Unterstützung, Verstärkung einer vorhandenen Erregung, in der Steigerung der Disposition für die erwartete Erregung besteht, erblickt in der Aufmerksamkeit G. E. MÜLLER (Zur Theor. d. sinnl. Aufm. 1873); PILZECKER (Lehre von d. sinnl. Aufm. 1889) schließt sich der späteren Ansicht Müllers betreffs der Aufmerksamkeit an. A. HÖFLER definiert: »Aufmerken heißt: bereit sein zu psychischer Arbeit, nämlich speciell zu intellectueller Arbeit« (Psych. Arb. S. 100). EHRENFELS bestimmt die Aufmerksamkeit als »eine innere Willens- oder Strebenshandlung mit dem Zweck, gewisse Vorstellungen in das Gebiet der Lucidität hereinzuziehen, respective ihnen jenes Merkmal in relativ höherem Maße zuzuwenden« (Syst. d. Werttheor. I, 253 ff.). JODL sieht in der Aufmerksamkeit ein Willensphänomen, einen Act der Spontaneïtät, der Auswahl, der Bevorzugung. Sie ist »Fixierung des Bewußtseins auf einen bestimmten Inhalt oder Eindruck, welcher eben dadurch vermöge der Enge des Bewußtseins andere Inhalte verdunkelt und aus dem Bewußtsein drängt« (Lehrb. d. Psych. S. 437, 438 ff., 501 ff.). Es gibt sinnliche und repräsentative, active und passive Aufmerksamkeit (ib.). Nach G. OPPENHEIMER besteht der Aufmerksamkeitsvorgang »in der Vorbereitung von gewissen Sinneszellen oder einem Complexe von solchen, die eine Vorstellung bewirken können, zur Aufnahme einer neuen Sinnesempfindung oder Vorstellung« (Phy(s. d.) Gef. S. 103). Es befinden sich hier »gewisse Rindenzellen in einem Zustand erhöhter Erregbarkeit«, in welchem ein kleiner Zuwachs des Reizes große Wirkungen erzeugen kann (l.c. S. 104 ff.). MÜNSTERBERG nimmt den Standpunkt der »Actionstheorie« (s. d.) ein: »Unbemerkt bleibt das, wofür die Handlung nicht vorbereitet ist, bis die Stärke der Erregung die Handlung erzwingt; von der Aufmerksamkeit erfaßt dagegen ist das, was die Bedingungen der motorischen Entladung bereit findet« (Grdz. d. Psych. I, S. 560). Ähnlich KROELL (We(s. d.) Seel. S. 58).
Eine Reihe von Philosophen betrachtet die Aufmerksamkeit bloß als Zustand, Verstärkung eines Bewußtseinsinhalts, Hemmung anderer Inhalte, ohne specifische innere Tätigkeit. Die Hemmung der übrigen Vorstellungen infolge vorherrschender Erregung des Seelenorgans für eine bestimmte Vorstellung betont schon HOBBES (De corp. 25, 6). Nach CONDILLAC ist die Aufmerksamkeit nur »une sensation plus vive que toutes les autres« (Tr. des sens. p. 37); er unterscheidet eine passive und active Aufmerksamkeit (l. ch. c. 2, § 11, p. 14). HERBART bestimmt die Aufmerksamkeit als »die Fähigkeit, einen Zuwachs des Vorstellens zu erzeugen« (Psych. a. Wiss. II, § 128). Die Aufmerksamkeit ist[108] unwillkürlich = passiv, oder willkürlich = activ (Lehrb. zur Psych.3, S. 147). Die erstere hat ihren Grund »zum Teil in der augenblicklichen Lage des Geistes während des Merkens; andernteils wird sie bestimmt durch die älteren Vorstellungen, welche das Gemerkte reproduciert« (l.c. S. 148). »Attentus dicitur is, qui mente sic est dispositus, ut eius notiones incrementi quid capere possint« (De attent. mensura 1822). Es wird bei den Herbartianern auch zwischen »sinnlicher« und »intellectueller« Aufmerksamkeit unterschieden; bei der letzteren werden Eindrücke vor andern durch »Vorstellungshülfen«, Apperceptionsmassen (s. d.) bevorzugt. WAITZ versteht unter Aufmerken »ein scharfes und genaues Percipieren von Einzelnem« (Lehrb. d. Psych. S. 624 ff.), ein gespanntes Erwarten (l.c. S. 637). Nach VOLKMANN heißt aufmerksam sein, »eine Vorstellung, Vorstellungsreihe oder Vorstellungsmasse dem Drange zum Sinken entgegen unverrückt festhalten« (Lehrb. d. Psych. II4, 204). GEORGE versteht unter Aufmerksamkeit die Concentration des allgemeinen Wachseins auf ein Einzelnes (Lehrb. d. Psych. S. 84). CZOLBE: »Aufmerksamkeit ist nur Isolation der intensiveren Empfindungen aus der Menge gleichzeitig stattfindender, von denen wir deshalb abstrahieren« (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 222). Nach LIPPS ist die Aufmerksamkeit keine besondere Kraft, sondern die sich concentrierende Reproductionstätigkeit selbst mit Hilfe begünstigender Vorstellungen (Gr. d. Seel. S. 620, 123). Im Zustande der Aufmerksamkeit finden wir in uns »den Gegenstand, daneben die subjectiven Strebungs- und Spannungsempfindungen samt den so oder so gearteten Lust- und Unlustgefühlen« (l.c. S. 46). Nach H. E. KOHN ist die Aufmerksamkeit in irgend einem Grade mit jedem Bewußtseinsinhalte verbunden (Zur Theor. d. Aufm. 1895, S. 19). Nach REHMKE ist zu unterscheiden zwischen »Deutlichhaben« und »Deutlichhabenwollen« (Allg. Psych. S. 524 f.). Unwillkürliche Aufmerksamkeit ist »dasjenige 'Bemerken', dessen besondere Bedingung allein der in dem Gegebenen zusammen sich bietende Gegensatz der Unterschiedenen ist, willkürliche Aufmerksamkeit dagegen dasjenige Bemerken, dessen besondere Bedingung überdies noch das bemerkenwollende Bewußtsein ist« (l.c. S. 526). Ähnlich TH. KERRL (Lehre von der Aufmerks. S. 71). SCHUPPE bestreitet den Tätigkeitscharakter der Aufmerksamkeit. »Wessen wir uns dabei bewußt werden, das ist nur das Gefühl des Interesses an den gemeinten Vorstellungen oder an der auszuführenden Bewegung, und höchstens noch eine nicht weiter definierbare Regung, die als Wille bezeichnet werden kann... Von einem Tun – ist nichts zu entdecken« (Log. S. 143). Nach EBBINGHAUS besteht die Aufmerksamkeit »in dem lebhaften Hervortreten und Wirksamwerden einzelner seelischer Gebilde auf Kosten anderer« (Gr. d. Psychol. S. 575). Sie ist »das Resultat eines Selectionsprocesses; sie besteht in einer Einschränkung oder Concentration der Seele auf eine gewisse Anzahl der ihr den obwaltenden Umständen nach überhaupt möglichen Empfindungen und Vorstellungen« (ib.). Nach H. CORNELIUS besteht das Beachten eines Wahrnehmungsinhalts »nur in der Unterscheidung desselben von seiner Umgebung und in seinem Wiedererkennen«, die »intellectuelle« Aufmerksamkeit nur in einem Festhalten eines Gedächtnisbildes, woran sich »eine mehr oder minder bestimmte Erkenntnis der Ähnlichkeit des betreffenden Inhalts mit Gruppen anderweitiger von früher her bekannter Inhalte« anschließt (Einl. in d. Phil. S. 218). Die Leistung der sinnlichen Aufmerksamkeit ist die Zerlegung eines Inhalts (Psych. S. 168 ff.).
Im Gefühle (Interesse) erblickt besonders TH. ZIEGLER das Agens der[109] Aufmerksamkeit. Das Gefühl ist »der tragende Hintergrund, aus dem die Vorstellung in das helle Licht des Bewußtseins tritt« (D. Gef.2, S. 47). Durch den Gefühlston erzwingt sich die Vorstellung die Aufmerksamkeit (l.c. S. 50). STUMPF identificiert die Aufmerksamkeit mit dem Interesse, bestimmt sie als »Lust am Bemerken selbst« (Tonpsychol. I, S. 68, 279). Der Wille ist die Aufmerksamkeit (l.c. S. 69, 281).
RIBOT bestimmt als die ursprüngliche Form der Aufmerksamkeit die »spontane« Aufmerksamkeit (»attention spontanée, naturelle« im Unterschied von der »attention volontaire, artificielle«) (Psych. de l'att. p. 3). Der »Mechanismus« der Aufmerksamkeit ist wesentlich motorischer Art, besteht in einem »arrêt« auf die Muskeln (l.c. p. 3). Die Einheit des Bewußtseins ist die Quelle der Aufmerksamkeit (l.c. p. 4). Diese ist ein auf die motorische Kraft übertragener Affectzustand, der in Gefühlen und Strebungen wurzelt (l.c. p. 12). Sie ist ein »monoïdéisme intellectuel avec adaptation spontanée ou artificielle de l'individu«, d.h. eine Concentration auf einen Zustand des Bewußtseins (l.c. p. 6). Bei der »attention volontaire« ist das Ziel gewollt, gewählt; sie ist begleitet von einem »sentiment d'effort« (l.c. p. 47 f.).
Eine biologische Begründung der Aufmerksamkeit findet sich bei K. GROOS. Sie ist nach ihm ursprünglich »ein Mittel in dem körperlichen Kampfe ums Dasein«. Der »Instinct des Lauerns« ist die Urform der Aufmerksamkeit. Aus dieser »motorischen« hat sich die »theoretische« Aufmerksamkeit entwickelt. Die Grundform der Aufmerksamkeit ist die »Erwartung des Zukünftigen« (Spiele d. Mensch. S. 180 f., Spiele d. Tiere S. 210 f., vgl. damit die Definition der Aufmerksamkeit als »die sich mit einer Vorstellung verknüpfende Frage nach dem, was in Zukunft in Beziehung auf dieses Vorgestellte vorgehen wird«, bei FORTLAGE, Psych. I, § 9, S. 78). Ähnlich JERUSALEM, nach dem die Aufmerksamkeit »in einer Art Concentration des ganzen Organismus auf einen erwarteten Eindruck« besteht (Lehrb. d. Psych.3, S. 83). »Wir müssen wissen, wessen wir uns von den Dingen unserer Umgebung... zu versehen haben. Zu diesem Zwecke müssen wir alle unsere psychischen Kräfte anstrengen, und eben diese Anspannung nennen wir Aufmerksamkeit« (ib.). Die Aufmerksamkeit hängt sehr eng mit dem Interesse zusammen (l.c. S. 84). Als Wirkungen der Aufmerksamkeit zählt JERUSALEM auf: die auswählende Tätigkeit, Verengerung des inneren Gesichtsfeldes, Zerlegung der Vorstellungen, Abstraction, Apperception (l.c. S. 85 ff.).
Verschiedene Associationspsychologen führen die Aufmerksamkeit auf eine Summe von Spannungsempfindungen zurück, die mit bestimmten Bewußtseinszuständen sich verknüpfen. So z.B. ZIEHEN (Leitfad. d. phys. Psych.2, S. 166). Vgl. Apperception.
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