Phänomenologie

[95] Phänomenologie: Erscheinungslehre: l) Lehre von den Phänomenen als solchen, von den Bewußtseinserscheinungen. 2) Lehre von dem Werden, den Entwicklungsstufen des Bewußtseins. 3) Beschreibung, Darstellung, Classification: von Tatsachen, Phänomenen eines Gebietes, besonders des Psychischen.

KANT nennt Phänomenologie den Teil der Metaphysik der Natur, welcher die Bewegung oder Ruhe »bloß in Beziehung auf die Vorstellungsart oder Modalität, mithin als Erscheinung äußerer Sinne, bestimmt« (Met. Anf. d: Naturwiss., Vorr. S. XXI). HEGEL versteht unter Phänomenologie die Lehre, welche »das Werden der Wissenschaft überhaupt oder des Wissens« darstellt[95] (Phänomenol. S. 22). Die Phänomenologie des Geistes ist die »Darstellung des Bewußtseins in seiner Fortbewegung von dem ersten unmittelbaren Gegensatz seiner und des Gegenstandes bis zum absoluten Wissen« (Log. I, 33. Encykl. § 414). W. HAMILTON nennt »Phenomenology« einen Teil der Psychologie (s. d.). Nach LAZARUS ist die Phänomenologie »eine darstellende Schilderung, die Psychologie eine zerlegende Erklärung der Erscheinungen des Seelenlebens jene sucht die Teile, diese die Elemente, jene die Tatsachen, diese die Ursachen und Bedingungen derselben« (Leb. d. Seele II2, 346). E. v. HARTMANN versteht unter »Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins« »eine möglichst vollständige Aufnahme des empirisch gegebenen Gebiets des sittlichen Bewußtseins nebst kritischer Beleuchtung dieser innern Daten und ihrer gegenseitigen Beziehungen und nebst speculativer Entwicklung der sie zusammenfassenden Principien« (Phänomenol. d. sittl. Bewußts., Vorw. S. V). HUSSERL gibt (Log. Unt. II, 3 ff.) eine »descriptive Phänomenologie der innern Erfahrung, welche der empirischen Psychologie und, in ganz anderer Weise, zugleich der Erkenntniskritik zugrunde liegt« (l. c. I, 212. vgl. Logik). Sie hat die Aufgabe, »die logischen Ideen, die Begriffe und Gesetze, zu erkenntnistheoretischer Klarheit und Deutlichkeit zu bringen« (l. c. II, 7). Nach P. STERN ist eine Phänomenologie des Bewußtseins im Sinne der »Beschreibung« nicht möglich, da schon die Wortwahl durch einen »Proceß der Umformung des Vorstellungsmaterials« vorbereitet wird (Probl. d. Gegebenh. S. 26 f.).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 95-96.
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