[3] Ackerbau. Man nimmt allgemein an, dass schon die alten Germanen sowohl die Wohnart in Einzelhöfen (Einöden) kannten, die noch in Westfalen und im deutschen Süden vorkommt, als diejenige in eigentlichen Dörfern. Got. das thaurp = Bauland, Feld, stimmt mit griech. τύρβη = Gedränge, Lärm, lat. turba = Menge, Haufen, ahd. u. mhd. dorf, niederdeutsch dorp; andere Namen sind got. veihs, ahd. wîch, got. haims, ahd. heima; got. baurgs, ahd. burg. In den Dörfern im engern Sinne nahmen kleinere, durch Geschlecht- oder Stammesfreundschaft verbundene Genossenschaften einen grössern oder kleinern Landstrich in Besitz. Im Ganzen haben sich die Verhältnisse auf diesem Lebensgebiete wenig verändert, und was während des Mittelalters Sitte und Recht ist, wird meist sehr alten Ursprunges sein.
In jeder Gemeinde ist Privateigentum und Gemeindeeigentum zu unterscheiden. Alles, was der Einzelne im Dorfe besass, Haus und Hofstätte, Ackerland und Recht in der gemeinen Mark hiess ahd. die huoba, huopa, mhd. die huobe, huofe, nhd. Hube und Hufe, davon mhd. der huober, als Familienname Huber erhalten. Andere Bezeichnungen sind Los, Pflug, Hof, mansus. Auf der Hufe ruhte das Recht der Einzelnen in der Gemeinschaft, sie war die Grundlage der Freiheit. Zum Unterschied seines Gutes und Hauses von anderen bediente sich der Freie nach alter Sitte eines Zeichens, hantmâl, hantqemâl, welches auch als Name für den Grundbesitz selber erscheint,[3] siehe den Art. Haus- und Hofmarke. Ein anderer sehr alter Name ist odal, uodal = ererbter Grundbesitz. Die Hufe konnte später der Teilung unterliegen, doch war Teilung jedenfalls nicht beliebt; man suchte vielmehr dem Bedürfnis durch Anlage neuer Hufen und Dörfer zu genügen. Die Gemeinschaft des Landes begründete manche Gemeinschaft des Lebens. Bei den salischen Franken war die Niederlassung im Dorfe an die Zustimmung aller Gemeindegenossen gebunden. Die Mitglieder des Dorfes waren zu gegenseitiger Hilfe und Unterstützung verpflichtet, z.B. durch Zeugnis vor Gericht. Von jeher hatten die Dörfer ohne Zweifel einen Vorsteher, von den Mitgliedern erwählt. Der zur Beratung gemeinschaftlicher Angelegenheiten bestimmte Platz war durch eine Linde ausgezeichnet. Eine gerichtliche Bedeutung dieser Versammlungen war nicht vorhanden; das war Sache der Centenen, die meist umfangreicher gewesen sein werden als die Dorfschaft.
Der erste Teil der Hube ist die Haus- und Hofstatt. Das Haus, got. nur einmal in gud-hûs, Gotteshaus, vorkommend, dagegen in allen andern germanischen Dialekten hûs lautend, ist verwandt mit ahd. hût, Haut, von einer Wurzel die bedecken, bergen bedeutet; der gleichen Wurzel entstammt Hütte. Es war aus Holz und bildete anfänglich nur einen einzigen Raum. Das deckende Material war Stroh oder Schilf. Edlere Ausdrücke für Häuser wohlhabender Leute sind sal, turm, burg. Hof, formelhaft alliterierend mit Haus verbunden, verwandt mit griech. κῆπος Garten, lat. campus, heisst der eingefriedigte Wirtschaftsplatz am Hause. Der Platz, auf dem Haus und Hofstehen, heisst hovastat, hovareiti. Umzäunt wie sie war, galt sie als ein für die Gemeinweide geschlossenes Gut, das in höherm Frieden lag (siehe den Art. Friede, c).
Der zweite Teil der Hube sind die zugehörigen Grundstücke, Äcker, Wiesen, Weinberge, Waldstücke. Diese hatten ursprünglich ein bestimmtes gleiches Mass, das aber zwischen 20, 30 und 40 Morgen (= soviel als man mit einem Gespann an einem Morgen, später Tage pflügen kann) Tagewerken oder Jucharten wechselte; Königshufen finden sich zu 60 und 120 Morgen. Das für den Ackerbau bestimmte Feld wurde ursprünglich gemeinsam angelegt und sodann, nicht selten nach dem Loose, jedem einzelnen Genossen sein Anteil zugemessen. Wenn das anfangs bebaute Land nicht ausreichte, wurde ein neues Feld gebrochen und gleichmässig verteilt, so dass jeder den gleichen Anteil an gutem und geringerem, an fettem und magerem, nahem und entfernterem Boden hatte. Für die Abmessung der einzelnen Ackerflächen war Messung mit dem Seil, im skandinavischen Norden Sonnenteilung genannt, üblich, im Gegensatz gegen die Hammerteilung, die auf dem Wurf eines Hammers beruhte.
Es war aber das Ackerfeld jeder Gemeinde in drei Fluren eingeteilt, deren jede einen eigenen Ackercomplex bildete, so zwar dass dieser je nach der Lage und Beschaffenheit des Bodens wieder in besondere Gewanne, Breiten und Kampe zerfallen mochte. Die Einteilung des Ackerlandes in die drei Fluren begründete das Dreifeldersystem, welches überall zur Anwendung kam, wo Germanen sich sesshaft machten. Die einzelne Flur nannten die Sachsen eine Koppel (daher Koppelwirtschaft) aus franz. couple, die Thüringer einen Schlag, die Alemannen und Baiern eine Zelge, die Franzosen une sole. Die Dreifelderwirtschaft bestand nun darin, dass alle Äcker, welche zu einer Flur gehörten, in einem Zeitraume von drei Jahren, der sich periodisch wiederholte, derselben Kulturfolge unterliegen mussten.[4] Zwei Jahre hintereinander wurde die Zelge bepflanzt, und zwar das erste Jahr mit Winterfrucht, das zweite Jahr mit Sommerfrucht, das dritte Jahr blieb sie unbesäet u.s.f. Der ungenützte Zustand der dritten Feldperiode hiess Brache, niedersächsisch Driesch; dieselbe wurde bei sorgfältiger Kultur dreimal gepflügt; waren zuerst die Stoppeln des zweiten Jahres durch eine erste Pflügung umgebrochen, so kam dann das zweite Pflügen, das Falgen oder Felgen, und nachdem der Brachacker gedüngt war, das Saatpflügen. Ruhte der Brachacker in Alemannien und Baiern mehrere Jahre hindurch, so dass ihn Unkraut, Dorn und Gesträuch erfüllten, so sagte man, er liege in Egerten, und er unterlag in solchem Zustande dem gemeinen Weiderecht, zuletzt konnte er in das Gemeineigentum zurückfallen. Das mit Winter- oder Sommerfrucht bewachsene Land hiess in den genannten Gebieten Esch oder Ösch, ahd. ezzisk, Saatfeld. Der Fortbestand des Masses einer Hube hing meist vom Willen od. von der ökonomischen Stellung des Eigentümers ab. In Klosterurbarien dauern die alten Güter bis ins 17. Jahrh.; kleinere Eigentümer sahen sich früh genötigt, ihre Hüben durch Verkauf, Erbschaftsteilung zu schmälern, oder sie vergrösserten sie umgekehrt durch Erwerb neuer Grundstücke. Ebenfalls zur Hube und zum Sondereigentum wurden Wiesen gerechnet, deren Ertrag man nach Fudern, Lasten oder Mannmad (was ein Mann an einem Tage mähen mag) berechnete; sie lagen zerstreut bald beim Dorfe, bald zwischen Äckern, bald im Walde, bald an Abhängen, wo immer die erforderliche Wässerung möglich war. Früh findet man auch Waldung im Privatbesitz und zur Hube gehörig, ebenso Wein-, Obst- und Krautgärten.
Der dritte Teil der Hube beschlägt den Anteil an der gemeinen Mark. Jeder vollberechtigte Dorfmarkgenosse war befugt, das für ihn notwendige Holz zum Kochen, Heizen, Bauen und für seine Gerätschaften, Werkzeuge und Zäune aus dem gemeinen Walde zu beziehen, wofür mit der Zeit besondere Vereinbarungen notwendig wurden, siehe den Art. Markgenossenschaft. Zum Rechte der Markgenossen gehörte auch Jagd, Fischerei und Bienenfang. Sodann erstreckte sich das gemeine Nutzungsrecht auf jede Art von Gewässern, auf Quellen, Brunnen, Bäche und Flüsse, auf Kies- und Sandgruben, Torf- und Thongruben, Kalk- und Steinbrüche. Wer dessen bedurfte, konnte Gemeindeland durch Ausreuten in sein Privateigentum verwandeln, was dann Neugereut, niuw geriute, novale hiess. Endlich hatte jeder Markgenosse das Weiderecht auf der gemeinen Mark, wozu die Waldfrüchte, Eicheln, Bucheln, Hagenbutten, Schlehen, Haselnüsse, Holzäpfel gehörten, die zur Schweinemast benutzt wurden. Der Weide standen aber auch die Privatgrundstücke offen, sobald Früchte und Heu davon genommen waren, also in der Brachzelge den ganzen Sommer über, in den beiden andern Zelgen nach der Ernte. Die beiden letztern Zelgen wurden mit Zäunen geschlossen, sobald sie besäet waren, die Winterzelg gewöhnlich um Galli (16. Okt.), die Sommerzelg um Walpurgä (1. Mai). Ging durch eine Zelge eine Strasse, welche der Zaun überschritt, so musste dort ein Falltor unterhalten werden, ein von Stangen gemachter Gatter, der, geöffnet, von selbst wieder zufiel; das Fallthor diente dem öffentlichen Verkehr, während andere Durchgangsgatter, Hurden genannt, solchen Besitzern dienten, deren Grundstücke von der Strasse entfernt lagen. Nach der Ernte waren die Felder dem Vieh zur Weide geöffnet. Alte Namen für die gemeinen Nutzungen sind Wun und Weid, Trieb und Trat,[5] Weg und Steg, Stock und Stein, Wasser und Wasserleitungen.
In späterer Zeit kamen halbe, Drittels- und Zweidrittelshuben vor, verkleinerte Huben, für die wie es scheint die Namen Schupissen, mhd. schuopôzen und Lunagien in Verwendung kamen.
Was die von den Deutschen angebauten Getreidearten betrifft, so scheint die älteste Art der Haber zu sein, Habermus wird schon von Plinius, hist. nat. 18, 44, als die Hauptspeise der Deutschen genannt. Den nördlichen Germanen war Gerste das Hauptgetreide, sie dient zur Bierbereitung, zu Futter für Vieh und Geflügel, zu Graupen und Grütze und zu Brod. Beide Getreidearten, Haber und Gerste, sind Sommerfrüchte. Auf sie kamen als Winterfrüchte Wintergerste und Roggen. Von den Römern lernten deutsche Stamme den Dinkel oder Spelz und den Weizen kennen. Mischelkorn bestand wohl meistens aus Roggen und Weizen oder aus Spelz und Weizen. Unter den Hülsenfrüchten waren Bohnen, Linsen, Erbsen und Wicken die Beliebtesten.
Nach den Getreidearten sagte man statt Winter- und Sommerzelg Roggen- und Haberzelg und unterschied sodann Früchte in Grosssaat, worunter man die Winterfrüchte Roggen, Spelz, Weizen und Mischelfrucht verstand, und Schmalsaat, worunter man Sommerfrüchte, Gerste, Haber und Hülsenfrüchte begriff. Nach W aitz, Verf. Gesch. I, Cap. 4 und namentlich Joh. Meyer, Geschichte des schweizerischen Bundesrechtes. Bd. 1, S. 210229. Winterthur 1878. Vgl. desselben Programm »Die drei Zelgen«, Frauenfeld 1880.
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