[185] Fechtkunst. Das im Mittelhochdeutschen sehr oft gebrauchte Verb fechten, wahrscheinlich mit faust wurzelverwandt, hat die allgemeine Bedeutung des sich Abmühens, eifrig Strebens, des Anstrengens der Hände, im besonderen wird es vom Kämpfen, Streiten im Gefechte angewandt. Die Übung im Gebrauche des Schwertes hiess in der höfischen Sprache schirmen; schirmknaben sind Knaben, die den Fechtunterricht erhalten; der Fechtmeister heisst mhd. schirmmeister. Erst in den Städten nannte man die von zünftigen Handwerkern ausgeübten Waffenspiele, die ohne Zweifel eine Nachahmung der ritterlichen Waffenübungen waren, Fechtkunst; als volksmässiges Element mischte sich damit die Kunst der von Alters her umziehenden Spielleute und Schwerttänzer. Als die älteste Fechtergesellschaft in Deutschland gelten die Marxbrüder in Frankfurt a.M., oder die Brüderschaft von St. Markus von Löwenberg, die aus einem Hauptmann und vier Meistern zusammengetreten war. Wer mit ihnen zu fechten wagte, der gab sich ihnen entweder in die Schule oder stand ganz vom Fechten ab. In der Frankfurter Herbstmesse fochten die Marxbrüder auf öffentlichen Platze mit fremden Fechtmeistern; wer die Probe bestand, dem wurde von ihnen die »Heimlichkeit« anvertraut, d.h. allerlei Kunstgriffe in der Führung des Schwertes. Jetzt durfte er das Wappen der Marxbrüder, einen Löwen, führen und in ganz Deutschland das Fechten lehren. Das Privilegium der Marxbrüder wurde vom Kaiser 1480, 1512, 1566 und 1579 erneuert. Unter den nicht privilegirten Fechtschulen war die der Federfechter die verbreitetste; sie hiess auch Freifechter von der Feder, wobei es ungewiss ist, ob sie den Namen von einer am Hut oder Spiess aufgesteckten Feder trugen oder davon, dass sie ursprünglich aus dem Stand der Schreiber hervorgegangen waren, daher die Worte Federfuchser, Federheld, oder ob gar Feder der Name eines Stossdegens war; ihren Hauptsitz hatten sie zu Prag. Auch eine Gesellschaft der Luxbrüder kommt vor, deren Bedeutung noch weniger klar ist, wie überhaupt eine urkundliche Darstellung dieses Gegenstandes mangelt. Man hat von Hans Sachs (Werke in Fol. I, 307) ein Gedicht: Der Fechtspruch, Ankunft und Freiheit der Kunst Darin wird die Fechtkunst von Herkules hergeleitet, der die Olympischen Spiele stiftete; von den Griechen kam die Fechtkunst zu den Römern; das Christentum stellte zwar das blutige Kampfspiel ab,
Dennoch ein stück vom kampf noch blieb.
Vil Held kämpften in freiem Feld
und ritten zsam in finster Wäld,
Als Eck und der alt Hillebrant,
Laurein, Hürnen Sewfrid genannt,
König Fasolt und Dietrich von Bern,
Thaten einander Kampf gewern.
Auch die Fechtkunst des Adels, die zu Verwundungen und Tod führte, wurde abgestellt und die Kunst der St. Marx-Brüderschaft übergeben Die Kunst selber beschreibt Hans Sachs folgendermassen:
Ich sprach: Wie sind die stück genand,
Die man muss lehren im anfang?
Er sprach: Der Kunst zu eim eingang
lehrt man öber- und unterhaw,
Mittel- und Flügel- haw genaw,
Auch gschossen und einfachen sturz,
Den tritt darzu, auch lehrt man kurz
Den Possen und ein aufheben,
Aussgäng und niderlegen eben.
Ich bat: Lieber Meister, zeigt an,
Wie nennt man die stück vor dem Mann?
Er sprach: Ob ich dirs gleich thu nennen,
Kanst du die stück ons Werk nit kennen,
Weil du nit hast gelehrt die Kunst,
Doch ich dir auss besondrer Grunst
Etlich häw und stück nennen will,
Die meisterlich sind und subtil:[185]
Der zornhaw und krumphaw, schaw,
Zwerchhaw, schillerhaw, scheitlerhaw,
Wunder versatzung und nachreisen,
Ueberlauf, Durchwechsel etlich heissen,
Schneiden, hawen, stich im winden,
Abschneiden, hengen und anbinden;
Die Kunst hält in vier läger klug,
Alber, Tag, Ochs und den Pflug.
Dieselben seltsamen Namen findet man auch in den im 16. Jahrh. zu Frankfurt erschienenen, mit Holzschnitten versehenen Fechtbüchern; hier wird unterschieden das Fechten mit dem langen Schwert, das Messerfechten, dessen vier häw genannt werden Zornhaw, Entrüsthaw, Geferhaw, Entwecker, Zwinger und Winker, das Fechten mit Tolchen oder Kampftegen und das Fechten in der Stangen. Dazu Figur 47 bis 49 aus: Fechtbuch. Die Ritterliche und Männliche Kunst und Handarbeit Fechtens. Frankf. a.M. 1558. Mit der Verbreitung der Schützengesellschaften kamen die bürgerlichen Fechtergesellschaften in Verfall.
Dagegen erhielt sich die Fechtkunst als notwendige Beigabe einer adeligen Erziehung und auf den Universitäten, deren Studenten den Rang eines gelehrten Adels beanspruchten. Als Begründer der akademischen Fechtkunst wird Wilhelm Kreussler genannt, Sohn eines Nassauischen Schulmeisters, der zu Frankfurt Marxbruder und in Jena privilegierter Fechtmeister wurde, er starb 1673. Von seinen zwölf Kindern wurden vier Fechtmeister an verschiedenen Hochschulen; dieses Geschlecht blieb der Kunst noch durch drei Generationen hindurch treu und hat die berühmtesten deutschen Fechtmeister und durch sie eine deutsche Fechtmethode hervorgebracht. Siehe Jahn Turnkunst, und Scheidler in Ersch u. Gruber.
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