[371] Fechtkunst, vollendete Anwendung der blanken Waffe, besonders beim Kampf zu zweien. Schon die alten Griechen und Römer hatten Fechtmeister (armaturae doctores). In den Fechterschulen des spätern Rom wurden Sklaven in der F. unterrichtet (s. Gladiatoren). Die F. wurde im römischen Heer betrieben und weiter ausgebildet durch das Ritter- und Turnierwesen seit den ersten Kreuzzügen; mit dem Waffenrecht fand sie bei den Bürgern der größern Städte Eingang. Dann finden sich bürgerliche privilegierte Fechtergesellschaften, so in Frankfurt a. M. die Bruderschaft von St. Markus vom Löwenberg, der Kaiser Friedrich III. 1487 den ersten Privilegiumsbrief erteilte, den zuletzt Rudolf II. 1579 erneuerte. Sie führten das Schwert, der Neuling mußte eine scharfe Probe bestehen und durfte dann, nach Empfang der »Heimlichkeit«, die in allerlei Kunstgriffen bei der Führung der Waffe bestand, den Löwen als Wappen der Gesellschaft führen und selbst das Fechten lehren. Ähnlich organisierten sich unter anderm die Veitsbrüder in Prag, von Rudolf II. 1607 privilegiert, mit Schreibfeder und Greifenhelm im Wappen, daher ihre Obern »Meister des langen Schwertes über die Gesellschaft der Freifechter von der Feder« hießen. St. Veit war ihr Schutzpatron. Von dem Wappen, vielleicht auch von der Anwendung des biegsamen Degens kam ihr volkstümlicher Name Federfechter. Beide Gesellschaften hatten gleichen Fechtbrauch und gleiche Gesetze, ihr gemeinsamer Oberhauptmann vertrat sie ständig am kaiserlichen Hoflager. Über die Luxbrüder mangeln bestimmte Nachrichten; von ihnen sollen die Klopffechter abstammen, die auf Jahrmärkten auftraten. Das »Rapierfechten« kam erst um 1560 in Aufnahme; Fechtwaffen waren noch Schwert (auch das zweihändige), Degen, Dolch, Spieß, Hellebarde und Dusack, Dusägge, Dusäck (griff- und stichblattlose, schwertartige Waffe). Die Deutschen bevorzugten stets die Hiebwaffe. Der leichte spanische Degen verbreitete sich vom 16. Jahrh. an über Italien nach Deutschland und Frankreich als bevorzugte Fechtwaffe. Mit der Verbreitung der Feuerwaffe erhielt sich das Fechten nur als Bestandteil einer ritterlichen Erziehung auf Kadetten- und Militärschulen und den deutschen Universitäten, wo der Degen als Zeichen des Adels galt. Es war das der Renkontredegen, zum Hieb und Stoß brauchbar. Privilegierte Fechtschulen für die deutschen Universitäten, auf denen die F. forthin am meisten blühte, entstanden, als Wilhelm Kreußler aus Nassau, der 1618 Marksbruder geworden war, in Jena privilegierter Fechtmeister ward. Er ist der Gründer des deutschen Stoßfechtens, das jedoch auf den meisten deutschen Universitäten dem Hiebfechten gewichen ist. In Frankreich werden noch heute alle Duelle mit blanker Waffe (sogar unter Unteroffizieren) mit dem Stoßdegen ausgefochten. Das Bajonettfechten kam im 17. Jahrh. in Frankreich auf und wurde Anfang des 19. bei den sächsischen Truppen ausgebildet, dann in den europäischen Heeren eingeführt. Aus dem Orient stammen der krumme Säbel und die Pike oder Lanze als Fechtwaffen. Die ganze deutsche Kavallerie hat seit 1888 die Lanze.
Über Fechtübungen bei den Truppen s. Fechten. Florett, Degen, Lanze und Fechtgewehr dienen zum Stoß-, Rapier (Schläger, Hieber, Haurapier) und Säbel zum Hieb-, Degen- und Säbelrapier, der vorschriftsmäßigen deutschen Offizierwaffe entsprechend, zum Hiebstoßfechten. Die Klinge zerfällt vom Gefäß ab in ganze und halbe Stärke, ganze und halbe Schwäche. Die Schwäche soll den Gegner treffen, die Stärke die feindliche Waffe abwehren (parieren). Nach der neuen Vorschrift fällt das Hiebfechten mit Rapieren im Lehrplan der Militärturnanstalt fort, so daß nur das Degenrapier mit Schilfklinge und das Säbelrapier mit schwach gekrümmter Klinge Lehrmittel bilden. Stoß- und Hiebfechten werden im allgemeinen nach denselben Fechterregeln erlernt.
Dem Schulfechten folgt Frei- oder Kontrafechten (Gegenfechten). Zur Auslage gehört Stellung des Körpers und Lage der Waffe (Fechterstellung; s. Appell und Ausfall). Die Klingen berühren sich, sind gebunden, haben Fühlung, sind engagiert; üben sie gegenseitig einen Druck aus, so sind sie belegt, stringiert. Beim Degagieren wechselt man unterhalb der feindlichen Waffe die Auslage. Die Gegner stehen auf der Gefechtslinie, im Fechterabstand (Mensur), so weit, daß sie sich treffen können; Stöße (Hiebe), nach der Blöße geführt, werden durch Deckung (Parade) abgewehrt (s. Attackierstoß); ein kräftiger Hieb kann eine schwache Parade durchschlagen. Die Innenblöße zeigt der Verteidiger links, die Außenblöße rechts von seiner Waffe, d. h. zu seiner Rechten, bez. Linken, entweder über der Hand (hoch) oder unter derselben (tief). Benennung der Hiebe s. Fig. 1.
Durch Battieren (vgl. Battuta [Battement] und Desarmieren) oder Stringieren schlägt man, um Blöße zu schaffen, die feindliche Waffe streichend, zur Seite. Der Vor- oder Zwischenstoß kommt dem feindlichen Stoß zuvor, der Mitstoß (a tempo, Tempostoß) trifft den Gegner, während er stößt, der Nachstoß (Riposte, Reprise) folgt aus der Deckungslage. Dasselbe gilt vom Hiebfechten. Bei Finten (ital. finta, frz. feinte) wird zur Täuschung dee Gegners ein Stoß (Hieb) nur angedeutet. Gänge, aus Stößen (Hieben) und Deckungen bestehend, bereiten das Freifechten vor, der erste Stoß (Hieb) heißt Anstoß (Anhieb). Bewegliche Mensur setzt in Vorteil. Zum Schutz dienen Masken, Brustschützen, Handschuhe.
Stoßfechten. Bei den vier Faustlagen (Fig. 2 bis 5) beim Fechten mit dem Stoßdegen (Florett, Fleuret, Stoßrapier) befinden sich die Finger in [371] Kammlage, wenn sie nach oben, in Ristlage, wenn sie nach unten zeigen. Weitere Kunstgriffe sind: Kamieren, Traversieren, Ligieren (Ligade), Flankonade-, Trompé-, Doublé-, Kroisierstoß oder Reversligade, Doppelhiebe. Pallasch und Haubajonett (Jatagan) sind für Stoß und Hieb bestimmt.
Bei dem deutschen Bajonettfechten (Bajonettieren, vgl. Bajonett) wird Einzelausbildung, breite Fechterstellung, kurzer Fangstoß (bei dem die linke Hand während des Ausstoßens losläßt), bewegliche Mensur und häufiger Wechsel der Gegner empfohlen.
Beim Fechten mit der Lanze liegt die gefällte Lanze mit dem untern Ende in der Achselhöhle, die rechte Hand hält sie wagerecht (Auslage). Zum Stoß wird sie erst etwas zurückgezogen und dann kräftig vorgeschnellt, die Paraden sind nur kurze Schläge der Lanze nach der Waffe des Gegners. Hiebfechten wird mit Rapier oder Säbel, mit letzterm auch zu Pferde, geübt. Die Auslage ist eine gerade, vorwärts (s. Chok) oder verhangene (besonders auf Universitäten). Mit krummem Säbel wird wie mit Rapier gefochten, der Hieb aber mehr schneidend durchgezogen. Beim Hiebstoßfechten werden Hiebe und Stöße zusammen angewendet. (Über Fechtauszeichnungen bei der Kavallerie s. Fechten.) Vgl. F. A. W. L. Roux: Anweisung zum Hiebfechten (2. Aufl., Jena 1849), Die Kreußlersche Stoßfechtschule (das. 1857), Deutsches Paukbuch (2. Aufl., das. 1867); Ludw. Cäsar Roux, Die Hiebfechtkunst (3. Aufl., das. 1901); Hergsell: Die F. (2. Aufl., Wien 1892), Unterricht im Säbelfechten (das. 1885) und Die Fechtkunst im 15. u. 16. Jahrhundert (Prag 1896); Lion, Das Stoßfechten (Hof 1882); Montag, Neue praktische Fechtschule auf Hieb und Stoß (3. Aufl., Berl. 1884); v. Dresky, Anleitung zum Fechten mit dem Stoßdegen (das. 1891); »Deutsche Hiebfechtschule« (2. Aufl., Leipz. 1901) und »Deutsche Stoßfechtschule nach Kreußlerschen Grundsätzen« (das. 1892, beide herausgegeben vom Verein deutscher Fechtmeister); P. Roux, Das Säbelfechten (Jena 1899); F. Meyer, Lehrbuch des Stoßfechtens (Wien 1903); Sestini, Das Fechten mit Florett und Säbel (deutsch, Berl. 1903); »Bajonettiervorschrift für die Infanterie« (das. 1901); »Vorschrift für das Fechten auf Hieb und Stoß« (das. 1901); Spilling, Das Fechten auf Hieb und Stoß auf Grund der Verordnung vom 11. April 1901 (das. 1902); Merignac, Histoire de l'escrime (Par. 188386, 2 Bde.); Thimm, Bibliographie der F. (Lond. 1891 u. 1896).
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