[193] Fenster sind im romanischen Baustil klein und schmal. Die Kirchen mit niedrigen Seitenschiffen haben im Langhause zwei Fensterreihen, eine für die Abseiten im Untergeschoss, die andere für das Hauptschiff im Obergeschoss, die letztere Reihe setzt sich in den Kreuzschiffen und im Chor fort. Die Zahl der Fenster des Langhauses korrespondiert nicht immer mit der Zahl der Bogenstellungen. Die Fenster sind wie alle Wölbungen im Bundbogen geschlossen. Die Fensterwandung, die Leibung, besteht aus zwei sog. Schmiegen oder Schrägen, welche in der Mitte auf einem platten Bande zusammentreffen, sodass sich die Fensteröffnung nach innen und aussen erweitert, dadurch wird die Beleuchtung des Innern verstärkt und dem Regen nach aussen leichterer Abfluss gestattet. In den romanischen Türmen nimmt die Zahl der Fenster mit der Höhe des Stockwerks zu; in den oberen Stockwerken gruppieren sie sich nebeneinander, sodass die Öffnungen bloss durch die dieselben stützenden Teilsäulchen getrennt sind; man heisst sie gekuppelte Fenster, welche für die romanische Architektur eine sehr charakteristische Bildung sind. Siehe Fig. 50, aus Müller und Mothes, arch. Wörterbuch.
Im gotischen Baustil sind die Fenster zahlreicher und erhalten grössere Dimensionen. Ihre erste Ausbildung erhalten sie in Profanbauten und Kreuzgängen. Hier wurden zwei durch eine mittlere Säule getrennte Öffnungen von einem gemeinschaftlichen Blendbogen umschlossen, und die zwischen dem letztem und den Fensteröffnungen befindliche Mauerfläche, das Bogenfeld, mit einem Kreisrund, einer drei oder vierblättrigen Rosette durchbrochen. Später wurden die Rundbögen zu Spitzbögen, während man sowohl das Bogenfeld als die kräftige Zwischensäule noch beibehielt. Dann, als mit der Gotik immer mehr das Streben erwachte, die Flächen zu durchbrechen und die stützenden Teile zu erleichtern, reduzierte sich die Zwischenstütze zwischen den Fenstern[193] auf einen schlanken, stabartigen Pfeiler oder Pfosten, der in den älteren Bauten in Erinnerung an seine Herkunft aus der Säule noch mit einer Basis und einem Kapitäle versehen ist; an die Stelle der steinernen Fläche tritt ein grosser offener Kreis, von einem dünnen Ringe umschlossen; an Stelle der Mauermasse ist ein leichtes Stab- oder Gitterwerk von senkrechten Pfosten, von Spitzbögen und dem darüber befindlichen Kreise getreten, das Ganze von den offenen Hauptbögen umschlossen. Wie früher gestaltete man die Fensterbank und die Leibung des Hauptbogens einwärts und auswärts schräg, jetzt belebt durch einen Wechsel von vorspringenden und eingekehlten Gliederungen, eine Gliederung, die auch dem Stabwerk der Pfosten, Bögen und Kreise zuteil wurde. Noch mehr neue Elemente treten hinzu dadurch, dass die unteren Spitzbögen verdreifacht und vervierfacht wurden, dass man sie paarweise durch grössere umschloss, indem man grössere und kleinere, alte und junge Pfosten miteinander wechseln liess. Dadurch endlich, dass man die vermehrte Zahl der Bögen und Kreise durch Anbringung kleiner Dreiecke, sogenannte Nasen, mit kleeblattförmigen Mustern füllte, entstand das Masswerk, ein Wechsel mannigfaltigster Kombinationen, die sich alle auf das Kreisrund zurückführen lassen. Je nach der Zahl, in der die Nasen angewendet wurden, erhielt man eine drei-, vier- oder fünf blättrige Rosette, einen Drei-, Vier- oder Fünfpass. Siehe Fig. 51 bis 53 aus derselben Quelle.
Seit dem 14. Jahrh. betrachtete man das Masswerk nur noch als blosses Füllwerk und suchte die bisher offenen Teile so reich wie möglich zu dekorieren. An die Stelle der Kreise traten sphärische Drei- und Vierecke, die nun ihrerseits wieder mit besonderem Masswerke gefüllt wurden. Seit dem 15. Jahrh. wird das Fischblasenmuster die tonangebende Masswerkform. Nach Rahn.