Fenster

[692] Fenster, Oeffnungen, die dazu dienen, dem Innern der Gebäude Licht und Luft zuzuführen; von ihrer Form und Größe sowie ihrer Anzahl hängt mehr oder minder sowohl die äußere Erscheinung als auch die Zweckmäßigkeit der baulichen Anlage ab. Damit der größtmögliche Nutzeffekt, d.h. Lichtmenge im Innern, erzielt wird, soll das Fenster möglichst nahe an die Decke gerückt werden, weil das von oben einfallende Licht das beste und wirksamste, wagerecht oder aus der Tiefe kommendes ungünstig, ja oft schädlich wirkt. Die Lichtquelle soll keine zerstreute, sondern eine möglichst einheitliche oder gleichmäßig verteilte sein. Diese Oeffnungen müssen meistens durch Fensterrahmen (s.d.) und Fensterladen verschließbar gemacht werden, sowohl zum Schütze gegen die Witterung, gegen Kälte und Hitze, als auch gegen Einbruch und Diebstahl.

A. Die Form des Fensters ist im allgemeinen das aufrechtstehende Rechteck (Fig. 14), das in seinem oberen Abschluß je nach dem Baumaterial, dem Baustil und Charakter oder der Bestimmung des Gebäudes entweder wagerecht oder in einem Bogen endigt. Nach dieser oberen Gestaltung werden die Fenster benannt, und wir erhalten: Flach- oder Stichbogenfenster, Rund- oder Spitzbogenfenster; Rund- oder Radfenster, Halbkreis- oder Kreuzfenster sind seltener. Oeffnungen, deren Höhe geringer als die Breite, werden durch senkrechte Teilung in gekuppelte oder dreifache Fenster ausgebildet. Je nach den Zwecken des Innenraumes unterscheiden wir Wohnhaus, Saal- oder Kirchenfenster, Gang- und Treppenfenster, Keller- und Ladenfenster, Stall- oder Zellenfenster u.s.w., denen allen eine entsprechende Ausbildung zukommt und deren Weite je nach der Bestimmung und nach der Größe des zu beleuchtenden Raumes sowie nach dem Außencharakter des Gebäudes sehr verschieden ist; für Wohnhausfenster ist zu rechnen 0,9–1,40 m [692] Breite und 1,20–2,60 m Höhe. Als Regel kann gelten, daß die Fläche der gesamten Lichtöffnungen gleich 1/6–1/10 der Grundfläche des Innenraums betragen soll.

Im Altertum waren die Tempel ohne Fenster; sie erhielten ihre Beleuchtung durch die Türe der Zelle oder aber durch Oberlicht. Die Wohnhäuser der Römer hatten gegen die Straße nur sehr schmale, hochgelegene Fenster. Einige wenige Beispiele sind erhalten und zeigen schlanke rechtwinklige oder nach oben sich verjüngende Oeffnungen, mit Gliederung umrahmt und reicher Verdachung. Das Rundbogenfenster entstand in spätrömischer Zeit und blieb unter Entwicklung zur Doppelstellung u.s.w. bis zum 13. Jahrhundert herrschend. Die Zwischenstützen mehrteiliger Fenster bildeten dünne Säulen, sogenannte Zwergsäulen. Die weitere Entwicklung brachte das Spitzbogenfenster (12.–16. Jahrhundert) und führte zu den breiten und oft sehr hohen Maßwerkfenstern. Die Zeit der Renaissance entwickelte aus antiken Mustern (s. oben) eine Fülle neuer Fensterbildungen, meist mit scheitrechtem Abschluß in reichster Gestaltung [1], [2].

B. Für die Konstruktion des Fensters ist das Material entscheidend: bei Quadermauerwerk ist die lichte Oeffnung (Fensterlicht, Fig. 1) durch Aussparung der Mauerfläche zu erhalten. Ebenso läßt sich bei Backsteinmauern die Einfassung der Oeffnung durch gewöhnliche oder besonders geformte Steine bilden (Fig. 2). Bei Bruchsteinmauern wird am besten die Umfassung durch besondere Fenstergestelle aus Hausteinen (Fig. 3 u. 4) gebildet. Die einfachere Holzumrahmung der Oeffnung heißt Fenstergerüst. Bei Holz- und Fachwänden bilden die Fensterpfosten und Fensterriegel die Einfassung, welche meist mit gehobelter Fensterverkleidung versehen wird. – Die zweckmäßigste und vollkommenste Umrahmung der Oeffnungen geschieht durch besondere Hausteingestelle (Fig. 3 u. 4). Diese zerfallen in drei Teile:

1. Die Bank, Sohlbank, Fensterbank, als unterer Abschluß und feste Unterstützung des ganzen Gestelles, erhält mit Vorteil an den belasteten Enden eine Unterstützung durch Postamente, Tragsteine; zur Ableitung des Regenwassers einen Vorsprung über die Mauerflucht mit Wassernase und an der Oberfläche im Fensterlicht eine Wasserschräge, an die sich als hintere Begrenzung eine Erhöhung (0,007–0,010 m) anschließt, die den Eintritt des Regenwassers bei Wind verhütet. Unter der Bank befindet sich die Fensterbrüstung, Brüstungsmauer, die eine Höhe von 0,60–1,10 m über Fußboden und meist eine geringere Stärke als das übrige Mauerwerk hat; der hierdurch gebildete Fensterausschnitt, Fensternische, ermöglicht ein Herantreten aus Fenster und bequemes Hinausschauen. Zur Abhaltung der Kälte vom Bewohner sind Brüstung und Bank mit Brusttäferung (gestemmt) und eichenem Simsbrett, Fensterbrett, zu bekleiden.

2. Die Seiten der Lichtöffnung bilden die senkrecht aufsteigenden Fenstergewände in einer Stärke von 15–25 cm im Geviert oder 1/5–1/6 der Fensterbreite. Sie erhalten bei einfachster Gestaltung an der Vorderseite einen Falz (Ladenfalz) oder Fasen, in reicherer Ausbildung aber eine nach innen zurücktretende Profilierung, Einziehung, bestehend in Kehlen, Plättchen, Karniesen u.s.w. An der Rückseite ist ein Anschlag 6–10 cm breit anzubringen, auf dem das Fensterfutter oder der Futterrahmen (s. Fensterrahmen) dicht aufliegend befestigt wird. Den Verband mit dem Mauerwerk erhalten die Gewände durch a) Bindersteine, die in einer Stärke von 20–25 cm tief in das Mauerwerk eingreifen, oder b) eiserne Anker (s.d.) mit Schlüssel. Unter sich sind die sämtlichen Steine des Gestells durch in die Fugen eingesetzte Dübel oder Dollen (s.d.) zu verbinden, die je 3 cm tief eingreifen. Hinter den Gewänden schließen auf die Stärke der Mauern die Fensterleibungen, Geläufe, an, die mit Ausschrägung, Anzug, angelegt sind, um dem Tageslicht tunlichst Eintritt in den Innenraum zu gewähren.

3. Den oberen Abschluß der Lichtöffnung bildet a) der scheitrechte Fenstersturz, aus einem Stück bestehend und meist von der Stärke und gleichen formalen Ausbildung wie die Gewände. Um die Gefahr des Abdrückens zu beseitigen, wird der Stein nicht auf sein natürliches Lager gelegt und gegen den Druck der oberen Mauer durch den Entlastungsbogen (s.d.) geschützt. Eine Verstärkung des Sturzes auf die freitragende Weite kann durch Vermehrung der Höhe oder Anbringen von weiteren Baugliedern, d.h. einer Fensterverdachung mit oder ohne Fries bewirkt werden; oder es wird durch Ausbildung der Binder in vortretende Tragsteine eine Verringerung der Lichtweite herbeigeführt, wie dies bei der mittelalterlichen Bauweise in eleganter Formbildung vorkommt. In formaler Hinsicht wird der Sturz an seiner unteren Kante entweder gerade oder im Bogen (s. oben) ausgebildet; ersterer bietet den Vorteil möglichster Ausnutzung der Raumeshöhe und freiesten Zutritt des von oben einfallenden Lichts; auch ist die technische Ausbildung des Fensterverschlusses hierdurch die günstigste. b) Der Fensterbogen, aus mehreren, meist gleich großen Keilsteinen gebildet, wird da zur Anwendung kommen, wo nur ein Stein für die Ueberspannung der Oeffnung nicht ausreicht oder ein hinreichend großer Stein nicht vorhanden ist. Bei geradem Abschluß entlieht dann der scheitrechte Bogen, dessen Tragfähigkeit durch verschieden gestaltete Ausbildung der Stoßfugen gesichert werden kann. Hinter dem Sturze oder Bogen geht auf die Breite der Leibungen der innere Entlastungsbogen durch, der den Zweck hat, die über der Oeffnung aufliegende Innenlast des Gebälkes, Gewölbes u.s.w. aufzunehmen und auf die Seitenmauern zu übertragen. Die Pfeilhöhe dieses Bogens ist zu 1/8–1/10 der Lichtweite zu rechnen; als geringste Höhe von Bogenanfang bis Deckenunterkante = 0,50 m. Bei geringerer Höhe oder wenn Raum für Rollladen zu beschaffen ist, werden statt des gemauerten Bogens starke Ueberlaghölzer, in neuester Zeit I-Eisenträger eingelegt. Bei gekuppelten Fenstern sind die Bogen entweder über die ganze Oeffnung hinwegzuführen oder, wenn hierfür nicht genügende Höhe vorhanden, über jeder Oeffnung einzelne Bögen auf inneren Pfeilern herzustellen, die jedoch den Lichteinfall nicht zu sehr beschränken dürfen, daher unten eingezogen sind und oben allmählich vortreten.


Literatur: [1] Handbuch der Architektur, Bd. 1, Bauformenlehre, Darmstadt 1883. – [2] Reynaud, L., Tratte d'architect., Paris 1867.

Weinbrenner.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 3., Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 692-694.
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