Schöpfung der Welt

[901] Schöpfung der Welt. Die älteste Kirche hatte den Sonntag neben der[901] Feier der Auferstehung dem Gedächtnis der Weltschöpfung geweiht; der Schöpfung galten auch zwei, Gregor d. Gr. zugeschriebene, für die Sonntagsfeier bestimmte Hymnen, Primo dierum omnium und Lucis creator optime. So wurde auch von altersher die jährliche Auferstehungsfeier durch das Gedächtnis der Weltschöpfung und durch die kirchliche Verlesung und Auslegung des biblischen Schöpfungsbericntes eingeleitet. Damit hängt zusammen, dass die alte Kirche die Menschwerdung Christi auf den 25. März verlegte, den Tag des Frühlingsanfanges nach dem Julianischen Kalender; derselbe Tag, der auch für den Jahrestag gehalten wurde, an welchem die Welt angefangen habe, nämlich das Licht geschaffen worden sei. – Die bildliche Darstellung des Schöpfungswerkes wird unterstützt durch den Wortlaut der Schrift, wonach Gott selber spricht und Himmel und Erde seiner Hände Werk heisst. Es wird aber zur bildlichen Darstellung gebracht, sowohl der Schöpfer (und zwar entweder als sprechend, bereitend oder segnend, oder als bei sich zu Rate gehend oder als ausruhend vom Schöpfungswerk), als das Schöpfungswerk selber. Im Abendlande wurde, nicht vor dem 9. Jahrhundert, zuerst die Erschaffung des Menschen abgebildet, seit dem 10. Jahrhundert die übrigen Schöpfungswerke, anfangs zum Zwecke der Ausschmückung der heiligen Schrift mit Miniaturen, seit dem 12. Jahrhundert zum Zwecke der Ausschmückung von Kirchengebäuden und Gerätschaften durch Malerei und Bildhauerarbeit, wobei die sämtlichen sechs Tagewerke entweder zu einem Bilde vereinigt vor dem Schöpfer oder jedes einzeln zur Darstellung gelangt ist, das letztere namentlich in den Mosaiken der Vorhalle von St. Marco zu Venedig und in den Skulpturen an der Kathedrale zu Chartres. Ausserdem sind die einzelnen Tagewerke vielfach zur Darstellung gelangt. Piper, Mythol. und Symbolik der christlichen Kunst, I, Th. 2, S. 172 ff. Ders. Evangel. Kalender f. 1854. S. 15 ff.

Ungefähr zur gleichen Zeit mit den Bildern der Weltschöpfung erscheint die erste poetische Darstellung der Schöpfung unter den in Reimprosa verfassten sog. Reden des 11. Jahrhunderts, welche, religiösen Inhalts und von altertümlicher Form, den weltlich höfischen Dichtungen des 12. und 13. Jahrhunderts vorangehen.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 901-902.
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