[15] Ablaß ist in der Kirche der Nachlaß der zeitlichen Sündenstrafen, welche den Sünder nach der Vergebung der Schuld und der Befreiung von der ewigen Strafe, die ihm in dem Sacramente der Buße zu Theil werden, noch treffen würden, und diesen Nachlaß der zeitlichen Sündenstrafen gewährt die rechtmäßige Kirchengewalt durch Zuwendung des Gnadenschatzes. Diese zeitlichen Sündenstrafen, welche die Kirche erlassen kann, sind 1. die von der Kirche auferlegten Bußen, die in den ersten Jahrhunderten sehr strenge waren; wie die Milderung oder gänzliche Nachlassung vor sich gehen soll, bestimmt die Kirche mit Rücksicht der obwaltenden Umstände. Häufig verwandelt sie die leidende Buße in die thätige, die Züchtigung in die Ausübung guter Werke z.B. Almosen, Arbeit bei Kirchenbauten, Beiträge zu christlichen Stiftungen und Unternehmungen u.s.w. 2. Der von der Kirche ertheilte Ablaß gewährt aber auch Erlaß der von der göttlichen Gerechtigkeit dem Sünder in diesem Leben oder in dem Fegfeuer zugedachten Strafen; denn die Kirche handelt im Namen Christi und Christus hat ihr die Macht verliehen zu binden und zu lösen, so daß was sie bindet oder löst auch vor Gott gebunden oder gelöst ist (Math. XVI, 19. I Kor. II, 10.). Die göttliche Gerechtigkeit aber wird versöhnt, indem der Sünder durch die Kirche Antheil gewinnt an dem Gnadenschatze der Kirche, d.h. an dem Verdienste Jesu Christi und der Heiligen; denn der Gläubige lebt in der Gemeinschaft der Heiligen, die Verdienste der einen Glieder der Kirche erwerben auch den anderen die göttliche Gnade. Deßwegen muß 1. der Sünder, der nach dem A. verlangt, sich in dem Stand der Gnade befinden; dies geschieht durch das Sacrament der Buße, durch die Communion, durch die frommen Uebungen und guten Werke, welche ihm von der Kirche auferlegt werden. 2. Der den A. ertheilt, muß auch die Vollmacht dazu von der Kirche haben; diese hat der Papst und innerhalb gewisser genau umschriebener Gränzen der Bischof und die dazu bevollmächtigten kirchlichen Würdeträger. Da der A. nur den Gläubigen ertheilt werden kann, welche unter der Gerichtsbarkeit der Kirche stehen, so kann der A. für die Seelen im Fegefeuer nur vermittelst der Fürbitte gewonnen werden. Die Kirche hat von jeher A. gewährt und die Gläubigen zur Ablaßgewinnung aufgefordert, denn der A. gibt Gnade, ermuntert und stärkt zu christlichem Thun und erinnert an die [15] Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus und den Heiligen. Die Berufung auf die Verdienste der Heiligen thut dem Verdienste Christi keinen Eintrag, wie die Reformatoren sagten, denn was die Heiligen waren und thaten, waren und thaten sie nur durch Christus.