Beguinen

[460] Beguinen, Beghinen, Begharden, Begutten, im Mittelalter religiöse Vereine, von freierer Verfassung als die klösterlichen, indem sie keine ewigen Gelübde ablegten, nicht gänzlich auf Eigenthum verzichteten und keine eigentliche Clausur hatten. Statt des Klosters war der B. hof, eine Anzahl kleiner Häuser mit gemeinschaftlicher Mauer umschlossen; in jedem Häuschen lebten 1 oder 2 B. als eigene Haushaltung; mit Erlaubniß der Oberin durften sie ausgehen, indem sie in den Städten Wasch-, Näh- u. dergl. Arbeiten übernahmen, Kranke pflegten, Kindern Unterricht gaben u.s.w. Jeder B. hof hatte in der Regel seinen eigenen Pfarrer, seine eigenen Statuten, sowie eigene Kleidung. Ihre Entstehung fällt wahrscheinlich in das 12. Jahrh. und wird einem Priester in Lüttich, Lambert le Begues oder le Beghe zugeschrieben, von dem dann auch der Name herkäme. Dem Beispiel der B. vereine folgend bildeten sich ähnliche von Männern, die Begharden genannt wurden, die sich besonders von der Weberei ernährten und in den Kirchen die niederen Dienste verrichteten. Von Belgien breiteten sich diese Vereine über Frankreich, Italien und Deutschland aus; nach den Kreuzzügen ist aber bereits eine Entartung derselben sichtbar, nicht bloß in sittlicher Beziehung, sondern es fanden die Häresien jener Zeit, namentlich die der Brüder und Schwestern vom freien Geiste in den B.höfen Anhang und Versteck. Daher schritten im 14. Jahrh. Synoden und Bischöfe ein, viele B.höfe wurden aufgehoben, viele Mitglieder derselben traten zu den Tertiariern der Bettelorden über; daß die Reformation die noch übrigen B.höfe in ihrem Bereiche zerstörte, versteht sich von selbst. Gegenwärtig bestehen diese Vereine nur noch in Belgien, wo sie geachtet und zum Theil sehr zahlreich sind.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 460.
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