Kinder

[589] Kinder. Die rechtliche Persönlichkeit des Menschen beginnt mit der Geburt; das Kind muß lebend geboren sein, das ältere deutsche Recht und der französ. Code verlangen überdem Lebensfähigkeit (Vitalität). Das Kind im Mutterleib (Embryo) wird als der Keim eines zukünftigen Rechtssubjects [589] provisorisch (z.B. bei Erbtheilungen) geschützt. Die K. heißen bis zum 7. Jahr infantes, erlangen mit dem 12., 14., 18. Jahr Pubertät (Mündigkeit) und werden mit dem 21. (Sachsenspiegel, Sachsen, Bayern, Württemberg, Code Napoléon), 22. (Hamburg), 23. (Bern, Waadt), 24. (Preußen, Oesterreich) und 25. Jahre (Römer. einige deutsche Länder) volljährig (großjährig, majorenn). Mit der Volljährigkeit beginnt der Vollbesitz der staatsbürgerlichen und der Privatrechte. Vorher während der Minderjährigkeit steht das Kind gehorsam unter der Zucht der Eltern und unter der Mundschaft (Vormundschaft. patriapotestas) des Vaters, welcher über Erziehung und Berufswahl entscheidet. In gemischten Ehen folgen in der Regel die Knaben der Religion des Vaters, die Mädchen der Mutter, oder alle K. dem Vater, oder es wird auch von den Ehegatten dieser Punkt durch Vertrag geordnet. Der Vater verwaltet und nutznießet das Vermögen der K., wo ihre Interessen aber einander widerstreiten, erhält das Kind für den speciellen Fall einen Vormund. K. können wohl erwerben, aber sie können sich ohne des Vaters Zustimmung nicht gültig verpflichten. Auf dem Strafgebiet beginnt die Zurechnung je nach der körperlich-geistigen Entwicklung mit dem 12., 14. oder 16. Jahre. Die ehelichen K. beerben ihre Eltern mancherorts zu gleichen Theilen, anderwärts erben die Söhne größere Theile (Sohnsvortheil) als die Töchter, oder selbst das Ganze, ebenso geben mitunter Erst- oder Letztgeburt Vorrechte. Ehelich (legitimi) sind alle während der Ehe geborne K. (pater est quem nuptiae demonstrant), die vorausgebornen werden es durch nachfolgende Ehe der Eltern (per subsequens matrimonium), an vielen Orten gelten auch die unter Eheversprechen erzeugten K. für ehelich. Die unehelichen K. (illegitimi, naturales, spurii, vulgo quaesiti) folgen bürger- u. familienrechtlich in vielen Staaten (altröm., Frankreich, manche Schweizerkantone u. deutsche Staaten) der Mutter (Maternitätsgrundsatz), anderwärts (deutsches und engl. Recht) bald mehr bald weniger (Bürger- und Familienrecht, oder auch nur für Alimente) dem Vater (Paternitätsgrundsatz). Uneheliche K. erben entweder gar nicht oder nur die Mutter und ihre Familie. Die Vorstellung, daß die unächte Geburt Recht u. Ehre herabsetze, hat sich nur noch in einzelnen Ländern erhalten.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 589-590.
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