Beguinen

[492] Beguinen, der älteste aller weiblichen weltlichen Vereine zu frommen Zwecken, ist von unbekannten Ursprung, tritt 1056 zuerst in einer, jetzt freilich als unecht nachgewiesenen Urkunde zu Vilvoorden geschichtlich auf u. wurde von dem Lütticher Priesten Lambert le Bègues 1180 neu geregelt u. wahrscheinlich nach ihm genannt. Die B. verbreiteten sich im 13. Jahrh. über die Niederlande, Frankreich u. Deutschland (wo sie sich bes. in Hamburg, Lübeck, Regensburg, Görkitz, Rochlitz, Leipzig ansiedelten) ungemein; sie lebten in großen Gesellschaften, oft bis 2000 Schwestern, in ihren Beguinereien (Beguinenhäusern, Beguinagiae, Beguinasiae) paarweise in einzelnen Hüttchen, wo ein Spital, eine Kirche, ein Betsaal die Vereinigungspunkte waren, oft auch bei ihren Verwandten einzeln u. erhielten vom Ertrag der Arbeit sich selbst, die Gesellschaftskasse, die Priester, Vereinsbeamten u. Spitäler. Die Vorsteherin jeder Beguinerei hieß u. heißt Magistra, welcher Curatoren od. Tutoren, gewöhnlich Bettelmönche, zur Seite stehen u. welche oft nur dem Ortspfarrer, gewöhnlich dem Bischof u. jedenfalls auch der weltlichen Obrigkeit unterworfen ist. Die einfachen Gelübde der Keuschheit u. des Gehorsams gegen die Statuten konnten eigenwillig durch Austritt aufgehoben werden u. alle Schwestern sich dann verheirathen. Die Tracht war die gewöhnliche der Bürgerfrauen jedes Landes, jedoch hatte jede Beguinerei eine bestimmte Farbe dafür, braun, grau, blau, u. dazu einen weißen Schleier über den Kopf. Später wurde Schwarz beinahe allgemeine Farbe, u. dazu kam eine seltsame, einer umgekehrten Muschel ähnliche Mütze, mit einer großen schwarzen Quaste. Der Verein bewies sich als ein höchst nützlicher durch Aufnahme verlassener Frauen u. Mädchen, durch treue Krankenpflege u. Erziehung armer Kinder, u. von dieser Seelsorge hießen die B. in Deutschland auch Seelenweiber. Indessen blieben sie auch von Vorwürfen über mancherlei Unordnung etc. nicht frei u. durften daher, nach dem Beschluß der Synode von Fritzlar 1244, keine Schwestern vor deren 40. Lebensjahre aufnehmen, ließen sich einzelne zu den Verirrungen der Fraticelli hinreißen u. büßten dafür durch schwere Verfolgungen u. Aufhebung ihrer Anstalten. Die Reformation machte ihnen in Deutschland u. der Schweiz größtentheils ein Ende. Die B-häuser, welche sich hier u. da, z.B. in Gent, noch finden, sind blos Wohlthätigkeitsanstalten, worin ältere unverheirathete Frauenspersonen eine Zuflucht finden. Vgl. Mosheim De Beghardis et Beguinabus, Lpz. 1790; E. Hallmann, Geschichte des Ursprungs der belgischen B., Berl. 1843. Von den männlichen B. s. Begharden. 2) So v.w. Betschwestern, Scheinheilige.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 492.
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