Festtag

[690] Festtag, lat. dies festus, frz. jour de fête, heißt kirchlich der dem Gottesdienste, der Erinnerung an religiöse und kirchliche Ereignisse und Personen gewidmete Tag. Der F. ist Feiertag, insofern er ganz oder theilweise für Ruhe und Erholung von den gewöhnlichen Geschäften des Lebens bestimmt ist. Der bürgerliche F. knüpft sich zunächst an Dinge, Ereignisse u. Personen, die mit der Religion nicht in unmittelbarer Verbindung stehen, erhält jedoch durch die Religion erst seine Weihe und Bedeutung, z.B. der Geburtstag des Landesherrn. F.e fanden und finden sich bei allen Völkern u. in allen Religionen und bei den einigermaßen ausgebildeten sowohl regelmäßig wiederkehrende als außerordentliche, allgemeine u. locale, F.e der Trauer u. der Freude, allenthalben mit Opfern, Prozessionen, Spielen und Tänzen verbunden. Die Griechen hatten ihre Panathenäen, Eleusinien, Thesmophorien, Dionysien u. Anthesterien, ihre olympischen, pythischen, nemeischen und [690] isthmischen Spiele, ihre Amphyktionien u. Apaturien; in Athen gab es doppelt so viele Feste als in jedem andern hellenischen Staat, in Sparta wurde besonders Apollo hoch verehrt. Die Römer hatten ihre feriae (s.d. Art.), ihre ludi Circenses, gladiatorii und scenici. Die Juden feiern seit Jahrtausenden ihren Sabbath, die Neumondsfeste, Pascha, Pfingsten, Laubhütten, das (vielleicht nachexilische) Neujahrsfest, das Fest der Tempelweihe, den Versöhnungstag, die Gesetzesfreude, das Purimfest. Die Mohammedaner haben den Freitag als Sonntag, den Ramasan als Fastenmonat, ihr Beiramsfest, die hl. Nächte u.s.f. Die Christen hatten bis zu Trajans Zeit um der Verfolgung willen fast nur den Sonntag, Ostern und Pfingsten. Unter den Heiligen war Martin von Tours einer der ersten, welche Verehrung erhielten u. allmälig häuften sich namentlich Localfeste bis zum Uebermaß. Die 3 Festcyclen der Kirche (Weihnacht-, Oster- und Pfingstcyclus) sowie die F.e sind bekannt. Ihre Eintheilung ist je nach den verschiedenen Gesichtspunkten mannigfaltig. Es gibt nur ein Wochenfest, den Sonntag, aber desto mehr Jahresfeste und zwar 4 hohe: Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Mariä Himmelfahrt, deren Feier mit dem Sonnenuntergang des vorhergehenden Tages beginnt und hinsichtlich der ersten 3 noch jetzt 2 Tage dauert, u. zahlreiche niedere. Erstere nannte man duplicia, weil zwei Vespern, letztere simplicia, weil nur eine Vesper gesungen wurde, im 14. Jahrh. kamen semi-duplicia dazu. Die F.e sind ferner unbewegliche, die jährlich am gleichen Tage wiederkehren z.B. Weihnachten, Dreikönig, Peter und Paul, Mariä Geburt, und bewegliche, deren Feier sich hinsichtlich der Zeit nach dem Ostertage richtet. F.e, die öffentlich gehalten wurden, hießen festa fori, solche, welche nur der Clerus im hl. Meßopfer und in den canonischen Tageszeiten festhielt, nannte man festa chori u.s.w. Das astronomische Jahr hängt mit dem Fest- und Kirchenjahr eng zusammen (vgl. Kirchenjahr). Seit der Reformation wurde die Zahl der F.e, die man unmittelbar oder durch Verlegung auf den folgenden Sonntag mittelbar abschaffte, um so größer, je mehr der Sinn für das Irdische vorwog u. je mehr die Noth des Lebens sich geltend machte. Während man in England und Amerika den Abgang der F.e durch eine immer strenger werdende Sonntagsfeier zu ersetzen strebt, kennt man in Fabrikorten Frankreichs u. Deutschlands kaum mehr einen Sonntag. Doch haben die Griechen ihre F.e meist behalten, bei den kath. Völkern des Süden sowie in Klöstern sind die Heiligen- und Localfeste nicht allzusehr vermindert worden.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 690-691.
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