Gallikanische Kirche

[13] Gallikanische Kirche, könnte man die franz. heißen, insofern Charakter u. Geschichte des Volkes wie überall auf kirchl. Gewohnheiten und Gebräuche Einfluß ausübten, allein gewöhnlich versteht man unter g. K. den Inbegriff der sog. Freiheiten, deren Anwendung in Frankreich die Gewalt des Papstes der Staatsgewalt völlig unterordnet. Die »Sanctio pragmatica«, wodurch Karl VII. 1438 auf das Baselerconcil gestützt eine Staats- und Nationalkirche anstrebte, die Nachgibigkeit einzelner Päpste, namentlich Leos X., gegen die französ. Krone, das System, welches P. Pithou schuf und Dupuy 1639 mit Beweisen versah, dies alles ging den 4 Artikeln von 1682 voran, welche das Wesen der g. n K. ausmachen und auf Betreiben des allmachtdurstigen Ludwigs XIV. durch eine Versammlung von Clerikern festgestellt wurde, an deren Spitze Bossuet stand. Der Inhalt läuft auf die Grundsätze hinaus, daß 1) der Papst in bürgerl. Angelegenheiten gar keine Gewalt, 2) der Grundsatz seiner Unterordnung unter die Concilien dagegen allgemeine Giltigkeit habe; daß er ferner 3) nicht nur an Concilienbeschlüsse, sondern auch an die Gewohnheiten u. Einrichtungen Frankreichs, endlich 4) selbst in Glaubenssachen an die Zustimmung der ganzen Kirche gebunden sei. Schon Bossuet sah den Mißbrauch, welchen der Staat mit diesen Artikeln trieb, seit 1755 hörte der Clerus nicht auf mit Protestationen, 1801 wurden die 4 Artikel von Napoleon I. ausgebeutet, 1810 u. nicht minder 1824 und 26 vom Staate ausdrücklich festgehalten. Seitdem Frayssinous u.a. gegen die g. K. sich erhoben, bekam diese allmälig immer mehr Widersacher, doch durch die Julicharte vom 7. August 1830 wurde die kathol. Kirche allen andern Glaubensbekenntnissen gleichgestellt und obwohl 1841 der gesammte Episkopat sich gegen die g. K. erklärte, dauert dieselbe doch bis heute fort.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 13.
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